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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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ruhig, anscheinend hatte er es nicht eilig. Er war wohl lange im Ausland gewesen, und bei dem naheliegenden Gedanken, dass er im Gefängnis gesessen hatte, lief es dem Kutscher kalt über den Rücken. Sie wurden mehrmals kontrolliert, doch der Ausweis, den der Deutsche vorwies, ließauch den gestrengsten Gendarmen salutieren. Ab und zu bat der Reisende den Kutscher anzuhalten, dann betrachtete er die Umgebung, rauchte, riss Gräser aus, roch an den Blumen und zerrieb Erde in der Hand. Allmählich näherten sie sich der Stadt, und nun musste der Kutscher bereits achtgeben, sie durften den vereinbarten Treffpunkt nicht vor Sonnenaufgang erreichen. Erneut machten sie halt, und der Kutscher hielt es nicht länger aus, er trat neben den Reisenden, der in den gestirnten Himmel starrte.
    Der Herr war eingekerkert, nicht war?
    Der Reisende sagte nichts, er nickte.
    Der Herr war Revolutionär?
    Der Reisende lachte heiser auf, ja natürlich, ich war Revolutionär, doch der Kutscher wurde nicht ruhiger.
    Und wenn er eine mächtige österreichische Persönlichkeit beförderte, an deren Händen ungarisches Blut klebte? Gerade jetzt traf der König in Szeged ein! Was, wenn sein Fahrgast ein Attentäter war und er selbst der unfreiwillige Teilnehmer eines Komplotts? Er überlegte umzukehren, doch als er zur Seite sah, traf sein Blick den des Reisenden.
    Gleich wird er mich umbringen!, schauderte er, dann kletterte er auf den Bock und trieb das Gespann angstgepeinigt weiter.
    Auch als sie am bezeichneten Ort angekommen waren, betete der Kutscher noch. Sie waren pünktlich, von Osten schwammen Wolken in ihrem Blut heran, im Süden zeigte sich ein dunkler Streifen unter dem Himmel, das mochte bereits Szeged sein. Als Imre aus dem Wagen steigend die Wartenden erblickte, liefen ihm Tränen übers Gesicht. Wenn seine Frau ihn auch nicht in Pest erwartet hatte, so war sie ihm doch bis hierher entgegengefahren. Im weißen Kleid, das Haar hochgesteckt, stand sie da, eingehängt bei Herrn Schütz. Von seinem Sohn keine Spur! Wo mochte er sein? Gilagóg war alt geworden, neben ihm standen einige Zigeuner, die er kannte, doch Imre sah auch fremde Gesichter und während seiner Gefangenschaft gezeugte, im Schlamm herangewachsene Zigeunerkinder. Es waren vielleichtzwei Dutzend Menschen, in ihrer Mitte wirkte der alte Gilagóg wie eine Vogelscheuche. Ein Ruf erklang, und der Doktor übernahm das Kommando. Sofort liefen einige Zigeuner zu den nahen Bäumen, kletterten hinauf ins Blätterwerk, dort zeigten sie ihre Steine, ließen sie glitzern, und das taten auch diejenigen, die unten geblieben waren, bevor sie mit einem seltsamen Tanz oder eher einem Herumgehüpfe begannen. Die Frauen sangen, und Imre musste lachen. Es war so komisch, so jämmerlich und traurig, Herr Schütz hatte sich selbst übertreffen wollen. In der aufgehenden Sonne sprühten die Steine Funken − ein richtiges Feuerwerk!
    Klara ließ ihren Schirm sinken und ging auf ihn zu, und er spürte, wie seine Lippen vor Aufregung zusammenklebten. Während der sechs Gefängnisjahre hatte er seine Frau nur einmal gesehen, bei ihrem Besuch, Briefe waren fast keine von ihr gekommen, Kraft gegeben hatte ihm Herr Schütz mit seinen Botschaften und kleinen Paketen. Imre wollte gerade auf sie zugehen, als die ersten Schüsse krachten. Das Ganze kam so unerwartet, dass sie nicht erschraken, nur die Hälse reckten und drehten. Was mochte geschehen sein?! War auch dies Teil des Empfangs?! Sie blickten suchend um sich, starrten in den Rauch, doch dann fiel ein weiterer Schuss, jemand schrie, und Imre kam zur Besinnung.
    Auf den Boden, auf den Boden!, brüllte er Klara zu, und sie ließ sich gehorsam auf die Knie nieder, begann verwirrt ihr Haar zu ordnen. Die Zigeuner flohen kreischend, ein Bursche lief kopflos geradewegs auf das Feuer zu, bis er mit einem Schmerzensschrei hinschlug. Eine plötzliche Ruhe überkam Imre, er begann nach den Schützen zu suchen. Zwischen den Büschen stieg Rauch auf, Menschen sah er noch nicht. Herr Schütz stürmte vor, erhob ein blindes, gellendes Geschrei, aus dem nahen Hain wurde immer noch geschossen, und der Alte brüllte so lange, bis der Wind ihm den Schießpulvergestank ins Gesicht blies und ihn ordentlich zum Husten brachte.
    Die beflaggte Stadt erwartete den Herrscher. Seit Tagen waren die Menschen in hektischen Vorbereitungen begriffen, jede Arbeit war unaufschiebbar, jede war verspätet, und dann wurde doch noch alles im letzten Moment fertig. Neben dem

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