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Blumenfresser

Blumenfresser

Titel: Blumenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: László Darvasi
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war von dem Anblick entsetzt, ihr Rücken war von wulstigen Narben übersät, die Spuren grober Misshandlungen, Wundmale blühten an Hüften und Armen. Plötzlich verstand er alles. Das war die im Hof des Rathauses gezüchtigte Hure! Mit den Fingerspitzen klopfte er auf die Wülste, und es war ihm, als hörte er von neuem das Geräusch der Stockhiebe.
    Haben Sie den Mut verloren?!, flüsterte sie, ihr Gesäß leuchtete, wie zwei kleine, weiße Kürbisse.
    Als Imre in sie eindrang, verlor er die Beherrschung, er krallte sich in das dürftige Fleisch, stieß heftig in sie, biss sie in den Nacken. Schließlich legte er sein Gesicht auf die Narben, er wusste nicht mehr, wem der Körper gehörte, zu dem er flehte, Klara oder dieser Unglücklichen, die einen Weg gefunden hatte, mehr zu sein als diejenigen, die sie ausnutzten. Er dachte, dass es keine Untreue sei! Auch im Körper dieses Mädchens war er nur Klara auf der Spur, als würde er eine andere Wirklichkeit, ein anderes Ich seiner Frau suchen, dieses kleine und traurige Schlechte, diesen besiegten Sieger, der sich vielleicht in jedem Menschen verborgen hält und der sich nie trösten lässt.
    Du zeichnest gut, sagte er, bevor er die Tür hinter sich zuzog.
    Sie antwortete nicht und sah nicht auf, sie zählte das Geld. Im Hof trat Imre zu dem Hund und hielt ihm die Hände hin. Der Köter leckte ihm die zitternden, vom Schoß des Mädchens klebrigen Finger ab.

In der Dreikönigsnacht wird Imre ermordet, danach schneit es
    Ihre Spaziergänge führten sie oft aus der Stadt heraus, in verlassene Obstgärten, zu verfallenen Gehöften und Gütern, neben ihnen raschelte eine Armee von Mohnköpfen, in wortloser Umarmung standen sie da, bis der Nachmittagshimmel über ihnen verblasste. Zu Hause erwartete sie der angenehme Geruch von Erde, sie wanderten verloren zwischen den Dingen umher, weil die Zeit wie erstarrt schien. Es wollte nicht dämmern, die Sonne hing rot über der Linie des Horizonts, und nicht sie begannen sich zu lieben, nicht die Brüste seiner Frau waren es, zwischen die er sein Gesicht legte, nicht in das Polster ihres Schoßes biss er, nicht sie waren es, die weinten und sich miteinander quälten. Doch es tat gut, dass man nach der sinnlosen, dafür um so leidenschaftlicheren Auseinandersetzung immer ein Kompott öffnen konnte, das war eine Regel, eine ihrer wichtigen Übereinkünfte, Imre mochte Birnenkompott, Klara Apfelkompott, und darüber konnte man dann gleich wieder streiten, denn sie machten stets nur ein Glas auf. Nach der Versöhnung sagte Klara Gedichte auf, sie deklamierte, als sei sie Sándor Petőfi oder Mihály Csokonai, und einmal war sie Heine. Zu jener Zeit blieben sie bereits oft im Bett, in der Wärme der Daunendecken, sie erzählten. Später hielt Imre auch diese endlosen Tage für den Beginn des sich zwischen ihnen vertiefenden Unheils, wenngleich es mitnichten unangenehm war, die Zeit auf diese Weise zu verbringen, die Vorhänge zuzuziehen, die Tür zu verriegeln und nur zu reden, zu flüstern, einander nicht zu berühren undin letzter Konsequenz nichts mehr zu essen und zu trinken. Immer besser, immer traumhafter wurde es, wenn sie im Bett blieben, und einmal geschah das Wunder, doch das hatte Imre vielleicht nur geträumt, dass ihnen die Nase gleichzeitig zu bluten anfing.
    Damals wurde in der Stadt mit Straßenarbeiten begonnen, die Budaer Straße und die Dreifaltigkeitsstraße wurden gepflastert, und Imre geriet mit den Pflasterern häufig in Streit. Er war hier zu Hause. Die da waren gekommen und kamen immer wieder. Seit Jahren streute er in der Stadt Blumensamen aus. Die Arbeiter hatten ihn beobachtet und betrachteten ihn, Imre konnte sich gar nicht vorstellen warum, als ihren Feind. Er erzählte Klara nicht, dass er einmal zu ihnen hingegangen war. Sie hatten ihn ausgelacht und ihm Steine vor die Füße geworfen, so dass Schlamm auf seine Hose spritzte. Mit groben Worten wünschten sie ihn dorthin, wo der Pfeffer wächst. Erblickten sie ihn, durchschnitten höhnische Pfiffe die Luft. Ein Junge warf einen Stein nach ihm. Und sie verübten noch andere Schändlichkeiten. Die Samen und Zwiebel seiner Blumen traten sie aus der Erde und zertrampelten sie. Manchmal folgten sie ihm, er wusste, dass sie ihm hinterher schlichen und dort, wo er gepflanzt hatte, die Erde aufwühlten. Es war ein stummes und bedrohliches Spiel, er streute Samen aus und verscharrte sie, steckte Zwiebeln in die sandige, lehmige Herbsterde, und gleich kamen die

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