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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Wale.«
    »Haben Sie mir zugehört, Signora? Wegen heute Nacht? Sie müssen dort sein, wenn der Mond seinen höchsten Stand erreicht. Unbedingt!«
    »Jetzt springen sie.«
    Die mächtigen Wale stiegen wie Heißluftballons in den Nachthimmel, einen Bogen über der Signora vollführend.
    Giacomo kraxelte den steilen Felsvorsprung empor und stellte sich mit den Vorderbeinen auf den Schoß der Si gnora. »Ohne Sie haben wir keine Chance!«
    »Wobei denn, meine kleine Robbe?«
    Robbe? Tatsächlich, er war eine kleine Robbe – und wollte jetzt gerne im Wasser planschen. Die Signora hatte die völlige Herrschaft über diesen Traum.
    Der nun abrupt endete.
    Ihre Kollegin Fabressa war in die Cioccolateria getreten und hatte den Kopf der Signora wie tot auf der Marmorplatte liegen sehen, darauf ein schwerer alter Lagotto. Deshalb schrie sie erst einmal, bevor sie sich der vermeintlich Totennäherte. Die Signora schreckte auf, was Giacomo – der sich immer noch wie eine Robbe fühlte – durch den Raum katapultierte, mitten hinein in die mit heißer Schokolade gefüllte Konche. Lange blieb er nicht darin, eigentlich sprang er direkt wieder heraus, doch jetzt tropfte er vor Schokolade. Als sich die Kollegin der Signora einen Besen schnappte, um nach ihm und Daisy zu schlagen, verschwanden sie schnell hinaus auf die Straße und um die nächste Häuserecke. Es war schon ein kleines Wunder, wie schnell die Schokolade aushärtete und ihn zu einem wunderbar braunen Lagotto Romagnolo werden ließ. Auf dem Weg zurück zum Borgo hinterließ er eine Spur abbröckelnder Schokolade auf dem Bürgersteig, wodurch er sich schnell einer großen Gruppe Tauben erfreuen konnte. Ihr zufriedenes Gurren klang für ihn wie Hohngelächter.
     
    Zur gleichen Zeit befand sich Niccolò längst auf dem Weg zu dem Hochhaus, in dessen oberster Etage Mario lebte. Doch er kam nicht bis dorthin. An der Straßenecke sah er zwei Hunde von hinten – und über einen der Allerwertesten freute er sich wie wahnsinnig. Niemals zuvor hatte ihn einer dermaßen euphorisiert. Es gehörte Canini, und das kleine Windspiel überwand nur unter Aufbietung all seiner Kräfte den Drang, sofort zu der Spanielhündin zu rennen und ihr über die Schnauze zu lecken. Stattdessen lauschte er gebannt den Worten, welche die zwei vor ihm wechselten. Und genoss Caninis Duft. Er konnte kaum fassen, ihn noch einmal in der Nase zu spüren. Wussten Menschen eigentlich, wie gut Liebe roch? Sie schienen alles nur mit den Augen wahrzunehmen, dabei hatte die Nase doch einen viel direkteren Zugang zum Herzen.
    »Und alles nur, weil du dein Spielzeug vergessen hast! Wir könnten Niccolò schon längst gefunden haben. Stattdessen stehen wir wieder hier.«
    Caninis Stimme klang härter als in Niccolòs Erinnerung, hatte aber immer noch diesen vorwurfsvollen Unterton, den sie selbst in Komplimente einwebte wie feinstes Garn. Herrlich!
    »Das Spielzeug hat einen Namen. Es heißt Giraffi.«
    »Ach, eine Giraffe soll das sein? Du hast so lange darauf rumgekaut, dass die Punkte nicht mehr zu sehen sind. Ganz bleich ist das arme Ding.«
    »Na und?«
    »Quietschen kann es auch nicht mehr.«
    »Darauf kommt es doch überhaupt nicht an!«
    »So ein großer Hund wie du ... «
    »... braucht eben auch seinen kleinen Gefährten! Seit ich als Welpe von meiner Mutter getrennt wurde, ist Giraffibei mir. Ohne ihn gehe ich nirgendwohin! Kann gar nicht verstehen, dass ich ihn bei der Flucht vergessen habe. Fühle mich ganz schlecht deswegen. Ganz allein liegt er jetzt oben im Körbchen!«
    Niccolò hielt es nicht mehr aus. Da stand sie tatsächlich vor ihm – nachdem er ihre Beerdigung gesehen hatte, ihr Foto in dem schwarzen Rahmen. Er rannte zu ihr, unaufhörlich wedelnd, nicht nur mit der Rute, sein ganzer Körper war in Schwung. Bevor er etwas sagen konnte, hatte Canini ihn gespürt und sich umgedreht. Sie sprangen aneinander hoch, beschnüffelten sich aufgeregt, leckten einander die Lefzen. Es war wie ein Tanz, eng und schnell, ein feuriger Tango in der kalten Stadt. Worte waren nicht nötig, um auszudrücken, was in ihnen vorging. Ihre Körper sprachen viel unmissverständlicher miteinander. Es dauerte lang, bis ihnen vor Erschöpfung die Zungen aus den Mäulern hingen und sie endlich den Atem zum Sprechen fanden.
    »Du bist nicht ... tot!« Niccolò hatte gezögert, das Wort auszusprechen, als könne es die Welt daran erinnern, was wirklich geschehen war, und dadurch alles zerstören.
    »Warum sollte ich

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