Blut & Barolo
um dich?«
Sie redete mit ihm! Jetzt nicht nachlassen! Das Streicheln würde sie nur für wenige Minuten beschäftigen. Ugo startete deshalb Phase zwei: das Humpeln. Sein rechter Vorderlauf schien ihm dramatisch genug.
»Ach, bist du in einen Stein getreten? Zeig mir mal deine Pfote.«
Als sie sich zu ihm beugte, schnurrte Ugo ganz laut. Er hielt es zumindest für Schnurren. In Wirklichkeit gurgelte Ugo. Irgendwo im Magen.
»Hast du Hunger, armer Hund? Komm mit, ich besorg was für dich. Oder besser: warte hier. Mit deinem Bein kannst du ja nicht laufen.«
Er reckte sein Köpfchen empor, rieb es an ihrem Hosenbein.
Das Schwarz des Stoffes hatte nun Fellbüschel.
Das musste er lassen! Nächste Phase: Katzenbuckeln. »Willst du Häufchen machen? Dann lass mich aber zuerst schnell weggehen.«
Jetzt entfernte sie sich. Warum nur? Er machte doch alles genauso, wie seine Mutter es ihn gelehrt hatte. Dann musste er nun wohl oder übel auf einen Hundetrick zurückgreifen. Hoffentlich beobachtete ihn keine Katze dabei. Er würde sich schön zum Gespött machen.
Er humpelte ein kurzes Stück vor, in Richtung der PonteUmberto I., blieb stehen, legte den Kopf schief und bellte kurz auf, danach freudig hechelnd. Als sie näherkam, duckte er sich und humpelte wieder los, bevor sie ihn bekam. Es war ein Spiel, und es zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht.
»Du bist ein Verrückter«, sagte sie. »Ich mag Verrückte. Vielleicht weil ich selbst eine bin.«
Nach vier Mal lachte sie immer noch, und sie hatten die Brücke erreicht. Die junge Frau ging vorsichtig die rutschige Böschung zum Po hinunter – und sah die Wölfe viel zu spät. Ugo wäre ihr gerne gefolgt, denn ihr Lachen hatte ihm gefallen, doch Katzen hielten sich fern von Wasser, und so kletterte er stattdessen auf einen niedrigen Baum, dessen größter Ast über dem gefrorenen Fluss hing, und nahm dort seine Position als Ausguck ein.
Bevor die nette Polizistin mit dem Mann reden konnte, der bereits am Brückenpfeiler stand und sich die Hände warm rieb, bugsierten einige der Wölfe sie zum anderen Ufer. Als sie dort ihr Handy langsam aus der Tasche zog, biss es ihr eines der wilden Tiere geschickt aus der Hand. Tommaso hatte diesen klugen Vorschlag gemacht. Seine Augen hatten aufgeleuchtet bei dem Gedanken, die Verbrecher ihres liebsten Spielzeuges zu berauben. Ugo hielt das für keine Strafe, denn er sprach eh am liebsten mit sich selbst. Er hörte gut zu, gab keine Widerworte und lobte angemessen und überzeugend.
Mit diesem schönen Gedanken schlief er ein.
Das heißt: Er behielt alles gut im Blick.
Nachdem Canini durch die offene Tür ins Haus geschlüpft war, lief sie gleich hoch ins oberste Stockwerk.
Die spiegelglatten Treppenstufen fühlten sich so unangenehm an, dass sie erst ihre Pfoten leckte, bevor sie mit ihrem Kopf mehrfach gegen die Wohnungstür stieß.
»Was hast du denn jetzt wieder vergessen?«, kam es von drinnen. »Mach dir doch selber auf, du hast doch einen Schlüssel! Das macht mich wahnsinnig!«
Unter Stöhnen wurde geöffnet. Canini hatte geplant, sofort wegzurennen, doch als sich Saadas Hand flink um ihr Halsband schloss und sie hineinzog, begriff die Spanielhündin, dass der Lauf empor sie zu viel Kraft gekostet hatte.
»Kommt die Prinzessin wieder zurück? Da freuen wir uns aber!« Saada wuschelte ihr über den Kopf, mehr Strafe als Zärtlichkeit. »Wegen dir und diesem blöden Rory durfte ich mir endlose Litaneien anhören. Mario ist total ausgerastet, als ich ohne euch vom Spaziergang zurückgekehrt bin. Er glaubt doch tatsächlich, in dir endlich den richtigen Gefährten gefunden zu haben.« Sie sperrte Canini ins Hundezimmer. Kurze Zeit später kehrte Saada mit einem Wasserschälchen zurück. »Für Futter habe ich gerade leider keine Zeit. Wirst hier aber schon nicht verhungern.« Noch einmal strich sie Canini über das Fell, diesmal etwas zärtlicher, und auch ein kleines Lächeln hatte sie für die Hündin übrig. »Ich mag euch Hunde ja trotzdem – obwohl ihr so schrecklich ungezogen sein könnt. Doch Mario, er verehrt euch. Bis ihr ihn enttäuscht. Und das tut ihr ja immer. Könnt noch nicht mal was dafür. Arme Viecher. Aber dem setzen wir heute ein Ende, ja?«
Die Tür schloss sich leise hinter ihr. Kurze Zeit später erklang ein Staubsauger. Nachdem er wieder rumpelnd im Dielenschrank verstaut war, duschte Saada, fönte sich ausgiebig die Haare, dann gingen ihre nassen Schritte ins Schlafzimmer, aus dem sie
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