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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Hund geworden war. Die beiden hatten alles genau besprochen, zwei Gedanken wollten sie der Signora eingeben: im Busch verstecken, Dieb stellen.
    Mit vereinten Kräften, so hoffte Giacomo, würden sie Erfolg haben. Er dachte nun an nichts anderes mehr. Die Worte nahmen fast vor ihm Gestalt an, schwebten über den Schnee zur Signora, um gleich in ihren Geist zu fahren. Niemals zuvor hatte sich Giacomo dermaßen konzentriert, selbst das Verlangen nach köstlichem Essen und Wein, welches normalerweise jeden seiner Gedanken begleitete, war zur Seite gedrängt.
    Im Busch verstecken, Dieb stellen.
    Die Signora setzte sich auf den kalten Boden und streckte die flache Hand in seine Richtung aus.
    »Komm her, du kluge Trüffelnase.« Giacomo folgte ihremWunsch. »Das ist dein Werk, oder? All diese Hunde, da unten an der Brücke sehen sogar einige wie Wölfe aus. Es sind welche, nicht wahr? Und was die Menschen dort angeht: Einer von denen ist ein Dieb und Mörder. Stimmt’s?«
    Ja, dachte Giacomo und senkte den Kopf, wie es die Menschen taten, wenn sie jemandem zustimmten.
    »Wusste ich’s doch! Aber du weißt nicht, wer genau es ist, sonst wäre dieses ganze Schauspiel nämlich unnötig.«
    Er wiederholte die Geste, obwohl sie ihm unnatürlich vorkam. Den Kopf senkte man eigentlich nur, um sich dem Futternapf zu nähern oder etwas in Bodenhöhe zu er- schnuppern.
    »Und an der Stelle komme ich alte Krähe ins Spiel. Nur wie?« Sie blickte sich um, die Szenerie abschätzend. Giacomo legte beide Tatzen auf ihr Bein. Der Spürer tat es ihm nach.
    Im Busch verstecken, Dieb stellen.
    »Weißt du was, mein struppiger Trüffelkönig? Ich verstecke mich in dem Busch dort, und du setzt dich davor. Wenn ich rede, werden sie in der Dunkelheit denken, du seist es. Das wird sie ganz schön durcheinanderbringen. Na, ist das ein guter Plan?«
    »So macht es keinen Spaß«, sagte der Spürer. »Wahrscheinlich ist sie ein großer Hund ohne Fell. Sonst geht es ja gar nicht.«
    Die Signora sah den blinden Border Collie vorwurfsvoll an. »Hast du gerade irgendwas Böses über mich geknurrt? Ich mag ja kein Hund sein, aber so was merke ich!«
    »Die find ich echt gruselig.« Der Spürer trabte davon, zurück zu Amadeus, der das Sindone nicht aus den Augen ließ. Er würde es in dieser Nacht beschützen, komme, was wolle.
    Giacomo schätzte die Signora ganz anders ein als der Spürer. Sie musste fraglos ein Engel sein. Die in den Kirchensahen zwar anders aus, klein und fett, mit stummeligen Flügeln, wogegen die Signora alt und faltig war, mit stummeligen Beinen, und doch war er sich sicher. Vielleicht verwandelten sich die dicken Dinger mit der Zeit ja in solche Frauen?
    Der Busch, den Giacomo – und nun auch die Signora – auserkoren hatte, stand ganz nah am Po, doch deutlich über der Eisdecke, und lag völlig im Dunkeln.
    Giacomo leckte sich noch einmal das Fell, schmiegte sich an das Bein der Signora und gab dann den kurzen Heuler von sich, der alles in Gang setzen würde.
    Die Wölfe führten Mario, Saada und Gianluca wie eine Schafherde so zu einer Stelle unterhalb des Buschs, von der aus sie nicht allzu genau sehen konnten, ob Giacomos Maul sich wirklich öffnete. Dann begannen die Grauröcke aufzuheulen und einen Angriff vorzutäuschen, wodurch sie den Angstschweiß aus den Poren der Menschen treiben wollten. Doch es war zu kalt, die Stirnen blieben trocken. Die Wölfe schlossen den Kreis deshalb enger um die drei, und Vespasian sprang mit aufgerissenem Maul wiederholt gefährlich nah an ihre Beine. Endlich bildete sich Angstschweiß unter der dicken Winterkleidung, aus den Achselhöhlen trat er hervor. Giacomo musste die heraufwehende Luft tief einsaugen, um die Gerüche der Menschen zu entwirren. Doch dann fand er sie, dieselbe Signatur wie im zweitausend Jahre alten Gewebe des Sindone. Nun wusste er, wer hinter allem steckte, hinter Raub und Mord, hinter Elend und Schmerz. Sie hatten keinen Fehler gemacht, der Schuldige stand vor ihnen auf dem Eis. Nun konnte der Plan gelingen! Giacomo versuchte der Signora mitzuteilen, wer es war, doch wusste er nicht, ob sein Gedanke sie erreichte. Sie nickte, vielleicht war dies ein Zeichen. Aber noch jemand musste es erfahren: die Polizistin am anderen Ufer. Und Menschen glaubten nur Worten, nicht Gerüchen. Diese mussten genauso herausgelockt werden wie der Schweiß.
    »Ihr habt das Sindone gestohlen und es dann uns Hunden angehängt«, begann die Signora das Verhör, ihre Stimme viel tiefer

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