Blut & Barolo
schnarrend, als wenn sie sang, während ihre Hände durch warme Schokoladenkuvertüre fuhren. »Warum? Antwortet! Oder unsere Brüder, die Wölfe, werden ihren entbehrungsreichen Winter mit eurem Fleisch lindern.«
Giacomo spürte die Worte wie einen Schluckauf im Hals, kurz bevor die Signora sie aussprach, und bewegte sein Maul entsprechend. Sie machte ihre Sache sehr gut, knurrte sogar zwischendurch. Schokolade machte klug, das hatte er immer schon gewusst.
»Hunde sprechen doch nicht! Das ist bloß irgendein Trick. Versteckte Kamera, was? Überhaupt nicht lustig, Freunde! Ihr hört von meinem Anwalt, wird euch eine Riesenstange Geld kosten. Das sind bestimmt auch keine Wölfe hier, sondern dressierte Huskys.« Gianluca hielt die Arme fest um den Oberkörper geschlungen. »Abblasen die Sache, sofort!«
»Hunde sprechen also nicht?«, fragte die Signora und Giacomo öffnete lippensynchron sein Maul. »Können sie denn Menschen auf den eisigen Po locken? Oder das Leichentuch Jesu Christi in Sicherheit bringen?«
Diese Fragen wollte Gianluca lieber nicht beantworten.
»Wir wollen verstehen, was in den Köpfen von euch Menschen vorgeht, die ihr so wunderbare Würste herstellen könnt und doch zu so viel Leid fähig seid.«
Sie gab der ganzen Sache einen persönlichen Ton. Hübsch, fand Giacomo.
»Dann lasst ihr uns wieder frei?«, fragte Gianluca. »Ja.«
»Und händigt uns das Sindone aus?«
»Äh«, die Signora klang unsicher. »Das wird danach entschieden. Es muss zurück in den Duomo.«
»Dann wollen wir alle das Gleiche!«, sagte Mario. »Aberdas alles ist ein schreckliches Missverständnis, wir haben nichts mit dem Diebstahl zu tun. Kommt, sagt es ihnen auch!« Doch sein Blick fand nur Saadas gesenktes Haupt und die dunklen Augen Gianlucas.
»Was ...?«
»Halt einfach die Klappe, Mario. Oder ertränk dich hier im Fluss, das wär für alle das Beste.«
»Gianluca, nicht!« Saada legte ihm beschwichtigend eine Hand auf den Arm.
»Du kannst alles von mir haben, meine Schöne, aber nun ist Schluss mit dem ganzen Theater. Ich bin’s leid. Jetzt erzähle ich diesen ... Hunden den ganzen Scheiß, wir kriegen dafür das Sindone und denken uns eine hübsche Geschichte für die Presse und die Bullen aus. Mario soll ruhig alles hören. Was kann er schon machen? Es gibt keine Beweise, seine Aussage steht gegen unsere. Der Karren steckt eh im Dreck, und wie tief der drin ist! Wenigstens reinen Tisch machen können wir. Ich wollte schon lange, dass sich der Vorhang vor unserem Träumer hier hebt.«
Die Signora wiederholte alles, was gesagt wurde, in ihrem Kopf, gewichtete und kombinierte die Aussagen, so als würde sie eine Ganache abschmecken. Auch Giacomo verstand dadurch jedes Wort. Nun erhob sie wieder ihre Stimme. »Erzählt endlich!«
»Ja, also«, Gianluca räusperte sich. »Wir haben das Sindone ... ausgeliehen. Mehr nicht. Eigentlich hätte nichts schiefgehen dürfen. Aber ist es dann ja doch – und nur wegen dir, Mario. Du warst Teil des Plans, hast dich aber nicht an deine Rolle gehalten.«
»Was erzählst du da, Gianluca?«, fragte Mario, nun bleicher als das Eis unter sich. »Das kann doch nicht wahr sein. Wir ...«
»Lass ihn reden«, unterbrach Saada ihn und strich ihm über den Kopf wie einem kleinen Jungen vor der Sonntagsmesse.»Desto schneller kömmen wir hier weg. Bitte! Ich flehe dich an. Schau doch in die Augen der Wölfe.«
»Meine Rolle?«, fragte die Signora für Giacomo. »Wie wäre sie denn gewesen?«
»Das Tuch zu Isabella Tinbergen zu bringen – und es dort zu lassen. Sie hätte es zurückgegeben, alles wäre wunderbar. Wegen dir hatten wir es extra mit Trüffelduft beträufelt, damit du es auch ja finden würdest. Ich war zur Sicherheit sogar die ganze Zeit bei dir, ja genau, der Penner, an den du dich rangedrückt hast. Es lief alles prima. Bis du vor der Polizei mit dem Sindone geflüchtet bist. Warum eigentlich?«
»Ich stelle hier die Fragen. Wozu das alles?«
Gianluca lächelte stolz und tastete seine Taschen nach einer Packung Zigaretten ab. Doch sie war bereits leer. »PR- Gründe, Marketing, das verstehst du als Hund nicht. Der Palazzo soll diesen Sommer wiedereröffnen, durch die unzähligen Jahre Umbau ist er aber irgendwie in Vergessenheit geraten. Und unser famoser Duomo hat nur dann richtig Zulauf, wenn das Sindone offiziell gezeigt wird. Das dauert noch Jahre. Jetzt aber geht dieser Diebstahl um die Welt, wir sind in aller Munde. Die Besucherzahlen steigen.
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