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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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irgendwie auf die Reihe gekriegt. Du hast mir ja keine Chance gegeben. Aber das ist schon in Ordnung.«
    »Vielen herzlichen Dank. Jetzt lass schon sehen!«
    Niccolò schlug mit der Pfote vorsichtig gegen das Tuch, welches sich ein Stück weit entrollte. Seine Augen glänzten zufrieden, denn vor sich sah er mit einem Mal die Weinberge unterhalb Rimellas, wo er so gern zwischen den Nebbiolo-Stöcken umhertollte, sah den verschlafenen Feldweg zur Waldlichtung hinauf, den schattenspendenden Brunnenauf der Piazza, und wie er nach Hause lief, wenn Isabella ihn rief. Dieses Tuch würde sie der geliebten Langhe ein großes Stück näher bringen.
    »Niccolò? Hör mir gut zu: Das ist es nicht. Kein Fischgrätmuster, kein Leinen. Das ist normales Tuch. Hast du das denn nicht gleich gemerkt? Riecht auch neu, die Blut- und Wasserflecken sind nicht im Gewebe, sondern nur drauf- gedruckt. Das hier ist nicht echt. Und es duftet auch überhaupt nicht nach Trüffel.«
    Niccolò stieß die Rolle weiter auf. Vielleicht hatte Giacomo nur am falschen Ende gerochen.
    »Warum sollten die Menschen ein falsches Tuch besitzen? Das ergibt doch keinen Sinn!«
    »Warum fahren Menschen mit dem Auto zur Trattoria, obwohl sie gleich um die Ecke liegt? Weil sie schließlich irgendwas tun müssen. Bis die begreifen, dass das Leben idealerweise aus Schlafen, Fressen und Trinken besteht, dauert es sicher noch Ewigkeiten.« Giacomo ließ sich auf den gekachelten Boden sinken, während die Köchin begann ein neues Lied mitzuschmettern. »Das ist nicht das richtige Tuch. Nur eine Fälschung. Es war leider alles umsonst.«
    Niccolò schwieg. Draußen ging die Hundemeute vorbei, diesmal langsam, die Hauseingänge absuchend, nach den Flüchtigen schnüffelnd.
    »Die kriegen uns nicht«, sagte Giacomo leise. »Die Kälte lässt die Gerüche erfrieren.«
    »Jetzt werden sie mich auch jagen. Mit Plakaten. So wie dich. Und alles nur für dieses Mistding hier.« Er stand auf und zerfetzte es, Giacomo ließ ihn gewähren. Das musste jetzt sein. Doch leider endete plötzlich »Brava Giulia« von Vasco Rossi, und die Geräusche aus dem Flur landeten klar vernehmbar in der Küche. »Was ist denn da los!?«, dröhnte es nun von dort.
    Niccolò hörte es in seiner Raserei nicht.
    Deshalb lief Giacomo zur Haustür, setzte sich auf die Hinterläufe und nahm die Klinke ins Maul. Die Köchin schien sich die Hände nur selten zu waschen, und das schmeckte er nun leider. Schnell hatte er die Tür geöffnet, während Niccolò weiterhin mit dem Tuch kämpfte, seinen kleinen Körper wild hin und her schleudernd, um dem Stoff den Rest zu geben. Die Köchin erschien und schlug die Hände entsetzt zusammen. »Cielo!« Selbst das klang bei ihr wie gesungen, sie hatte eine ausgesprochen melodiöse Stimme – wenn auch etwas spitz. »Sant’iddio!«, schob sie nach.
    Niccolò wütete unbeeindruckt weiter. Den auf dem Tuch abgebildeten Kopf hatte er in sämtliche anatomische Einzelteile zerlegt. Der Brustkorb schien ihm noch mehr Spaß zu machen. Alles hätte schrecklich enden können, wenn ihnen nicht der Gott – oder die Göttin? – des Kochens beigestanden hätte. Denn schwarzer Qualm drang plötzlich aus der Küche. Die Tiefkühlpizza war vernichtet worden. Es gab doch Gerechtigkeit in dieser Welt! Die Köchin entschwand dorthin, noch ein paar »Ksch!« in ihre Richtung rufend, als seien sie Katzen und keine Hunde.
    Giacomo stieß seinen Freund um, damit er aus seinem Wahn erwachte, und trottete dann hinaus auf die Straße. Kurze Zeit später folgte Niccolò.
    Bis sie bei der Questura eintrafen, bekam der alte Hund etliche halbherzige Entschuldigungen zu hören. Er schwieg dazu. Die Jugend musste ihre Fehler machen – und bereuen. Hatte er damals auch. Na ja, bereut hatte er eigentlich nichts. Aber schließlich hatte er auch keinen vergleichbaren Mist gebaut! Sollte Niccolò ruhig was draus lernen. Zum Beispiel: Erst Giacomo fragen, dann Blödsinn anstellen.
    Diesmal warteten keine Hundefänger vor der Gefängnismauer, und sie konnten ungesehen in den engen Gangschlüpfen. Dann hieß es warten. Giacomo war das ganz recht, so konnte er endlich wieder zu Atem kommen. Später sprachen sie über Isabellas Fluchtmöglichkeiten, doch dann wurden selbst ihm die Stunden lang, bis die Gefangenen endlich ihre Hofrunde drehten. Der alte Hund war sich am Ende nicht mehr sicher, ob er seine einge quetschten Läufe jemals wieder würde auseinanderfalten können.
    »Sie ist da! Guck!

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