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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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nicht zum ersten Mal.
    Brennend schoss Luft in die Lungenbläschen, als ihr Kopf hochgerissen wurde.
    »Wo ist das Tuch des Herrn?«
    »Ich weiß es nicht! Bitte lassen Sie mich los. Ich hab doch keine Ahnung, wo es steckt. Sie müssen mir glauben!«
    »Glauben? An Glauben mangelt es dir sehr, Sünderin. Meine Frau sagt, du seist eine Hexe. Die warf man früher mit Gewichten ins Wasser.«
    Er drückte Isabellas Kopf so schnell hinunter, dass sie mit der Stirn gegen den Beckenrand stieß. Sie riss vor Schmerz den Mund auf.
    Niccolò krümmte sich unter der Pein.
    Nach dem Auftauchen brauchte Isabella lange, bis sie wieder bei Atem war. »Hören Sie auf!«, schrie sie. »Das dürfen Sie nicht. Ich werde Sie melden! Sie verlieren Ihren Job! Hilfe! Hilfe !«
    Wieder wurde ihr Kopf ins Klo gedrückt. Und abermals. »Du bist eine Sünderin! Eine verfluchte Sünderin. Bereue endlich! Sag dich los vom Satan. Gib dem Herrn sein Sindone zurück. Es steht dir nicht zu, es zu berühren, du bist unwürdig.«
    Der Wärter riss Isabella diesmal erst wieder an den Haaren hoch, als sie aufhörte zu zappeln.
    »Erleichtere deine Seele. Der Herr vergibt den reumütigen Sündern.«
    Isabella erbrach sich röchelnd auf dem Boden, ihre Augen tränten unablässig. »Hauen Sie ab! Sie Monster, Sie wollen ein guter Christ sein?« Isabella spuckte ihn an. Woher nahm sie bloß den Mut? Niccolò hätte sich in eine Ecke verkrochen. Doch die Qualen schienen Isabellas Wut angestachelt zu haben.
    »Bis auf weiteres hast du Hexe Einzelhaft! Weil du mich gerade angegriffen hast.« Er kratzte sich mit den Fingernägeln ins Gesicht, dass blutige Striemen entstanden. »So was macht man nicht.« Ruhig zog er sich wieder an, richtete sein Haar vor dem Spiegel und verschwand ohne ein weiteresWort. Isabella lag auf dem Boden und hatte nicht die Kraft, sich aufzurichten.
    Die Vision verschwand, löste sich von den Rändern her auf wie Dampf, und Niccolò fand sich zusammengekrümmt auf dem Bürgersteig wieder. Über sich die Köpfe dreier Hunde. Niccolò sah sie nur verschwommen, seine Augen waren nass, als sei sein Kopf ebenfalls untergetaucht worden.
    »Er ist es«, sagte einer der Hunde. »Der dem Papst das falsche Sindone geklaut hat. Du hattest recht.«
    »Steckt mit dem Lagotto unter einer Decke.«
    »Bringt das Tuch zurück! Die Menschen machen uns das Leben zur Hölle. Wir sind es leid, wegen eurem bekloppten Diebstahl zu leiden. Turin war eine gute Stadt, bevor ihr Spinner kamt.«
    »Versteh uns nicht falsch. Wir haben nichts gegen euch, ihr könnt hier gern leben. Aber bringt endlich das Sindone zurück!«
    »Was redest du da? Die sollen verschwinden, machen nur Ärger.«
    »Wir sind doch alles Brüder!«
    »Mit dem da bin ich überhaupt nichts.«
    Die drei Hunde sahen sich an, unklar darüber, was nun geschehen sollte. Niccolò nutzte seine Chance. Schnell war er auf den Beinen und rannte. Selbst geschwächt hatten ihm diese Stadthunde nichts entgegenzusetzen, den Rausch der Geschwindigkeit kannten sie höchstens von einer Busfahrt. Das Borgo war nicht weit. Seine Kraft würde reichen. Musste reichen. Denn Isabella brauchte ihn.
    Und er brauchte sie. Und Canini. Und Giacomo. Was war er nur für ein erbärmlicher Hund.
     
    Während der Verfolgung Naras sammelte Amadeus Getreue ein wie andere Muscheln am Strand. Überall fand er Rüden und Hündinnen, die Tommaso für ihn bekehrt hatte. Er ließsie hinter sich gehen, damit sie kein Aufsehen erregten und weder Nara noch die beiden Männer vor ihr etwas merkten. Der Wind hatte sich nun vollends in die Alpen verzogen, überließ Turin den Sonnenstrahlen, die sich alle Mühe gaben, die Mauerwerke der Metropole in Heizungen zu verwandeln. Die Wärme breitete sich beruhigend aus, als wollte sie den Ärger der letzten Tage ein wenig lindern.
    Nara betrat nun den Parco del Valentino. Amadeus konnte sehen, dass der Priester und sein Begleiter sich dort mit einer dunkelhäutigen Frau trafen. Sie sprachen kurz miteinander, gaben sich Küsse auf die Wangen, dann teilten sie sich auf und gingen langsam und parallel den Streifen kargen Grüns entlang, so dass kein Fleck ihren Blicken entging. Die Frau strich mit ihren Handschuhen an den Gitterzäunen entlang, der Priester suchte unter den großen Müllcontainern und befragte die Imbissbudenbesitzer, deren kleine Häuschen sich am Ufer neben dem Borgo Medievale drängelten, umringt von unzähligen Plastikstühlen und bunten Werbetafeln. Öfters blickten sie sich

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