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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Brokat verziert schienen. Keiner der jetzt Anwesenden war ein Zirkushund. Doch sie alle kannten die Geschichten über Feuerräder, Elefantenparaden, Magier und Schwertschlucker.
    »Wir brauchen eine Pyramide«, sagte Giacomo zu Amadeus. »Aus Hunden. So kommen wir zu dem kleinen Fenster hoch, es ist nur angelehnt. Vermutlich führt es zum Klo.«
    »Ihr habt ihn gehört, bildet eine Pyramide.« Das Wort schien dem Pharaonenhund zu gefallen, er sprach es mit Stolz aus.
    »Was? Tommaso wird doch nicht tun, was dieser ... «
    » Bildet die Pyramide !« Amadeus baute sich vor der Bulldogge auf, die Rute wie einen Speer in den taumelnden Himmel gereckt, ohne eine Messerspitze Furcht in den Augen. Sein Gegenüber war mit einem Mal froh, den Befehl ausführen zu dürfen, scheuchte die Untergebenen, ließ die Massigsten das Fundament bilden und stapelte die Hundeleiber mit seinen Rufen immer höher, bis fünf Reihen aus Fell und Pfoten übereinanderstanden. Normalerweise kletterte der schlankeste, leichteste Hund auf die Spitze einer solchen Pyramide und nicht ein alter, tapsiger und vor allem mit Unmengen Alkohol abgefüllter Lagotto. Doch nur dieser besaß die nötige Nase, um das Sindone im Inneren ausmachen zu können. Also kraxelte Giacomo nununter schwerem Hecheln aufwärts, dem ein oder anderen aufs Ohr oder ins Auge tretend. Der Turm schwankte bedrohlich.
    »Lehnt euch nach rechts!«, rief Amadeus deshalb. »Nur leicht, verdammt noch mal! Tommaso!«
    Die Bulldogge biss einen schwarzen Labrador in den Hinterlauf, und der schiefe Turm von Turin fand wieder ins Lot. Auch als Niccolò nachstieg, hielt er stand. Doch danach ließen die Kräfte endgültig nach, und die Pyramide stürzte unter Jaulen zusammen.
    »Umstellt das Haus! Keiner kommt ohne unser Wissen wieder raus«, brüllte Tommaso. Woraufhin die Hunde, einige darunter schwer humpelnd, um die Ecken verschwanden.
    Die beiden Freunde standen nun in einem winzigen, kärglich eingerichteten Badezimmer. Der Duschvorhang war am unteren Ende vergilbt, eine Keilseife hing an einer dicken Kordel vom Haken, das Klo hatte keinen Deckel und das Becken kein Warmwasser. Es gab kaum genug Platz für einen Menschen, sich zu drehen. Die Zimmertür war nicht vollends geschlossen, so dass Giacomo sie mit dem Kopf aufstoßen und einen Blick in die spärlich beleuchtete Diele werfen konnte. Die Wände waren blank verputzt und schmucklos, nur über dem offenen Türbogen zum einzig beleuchteten Zimmer hing ein Kreuz. Giacomo roch einen alten, gebrechlichen Menschen, dessen Kleidung stark nach billigem Waschmittel stank. Aufgrund der Toilette wusste Giacomo noch mehr über diesen. Er war krank an der Blase, sein Urin verriet es. Wenn er nichts dagegen tat, wäre er bald tot.
    Der Mann atmete hektisch, aber bewegte sich nicht – und er saß neben dem Sindone. Es musste vollends ausgerollt sein, so stark, wie es seinen Duft in der Luft verströmte. Giacomo widerstand dem Drang, sofort zum Tuch zu rennen, und nahm stattdessen den kurzen Weg zum türlosenZimmer schräg gegenüber, aus dem Daisys Wimmern zu hören war. Niccolò folgte dicht hinter ihm.
    Der alte Trüffelhund sah sie direkt beim Eintreten. Die Hündin lag auf einer dreckigen Decke, deren Säume ausfransten.
    »Hallo, Sonnenschein«, begrüßte Giacomo sie und lief wedelnd zu ihr, den auf den Boden gesunkenen Kopf freudig leckend. Ihm war klar, dass Daisy das Sindone gestohlen haben musste, doch ebenso sehr, dass sie litt und statt einer Standpauke Zuneigung brauchte. »Warum liegst du denn allein in diesem dunklen Verschlag?«
    »Es ist mein Zimmer!« Sie blicke nicht auf, es gab keine Begrüßung, stattdessen knurrte sie Giacomo an, schaffte es jedoch nicht, dabei mit dem Zittern aufzuhören.
    Der alte Hund sah, dass sie geschlagen worden war, beschloss, ihr etwas Zeit zu geben, und blickte sich um. Kein Fenster im Raum, metallene Regale voller Aktenordner, der Boden aus Linoleum, eine Heizung fehlte, stattdessen drang die Kälte durch das Mauerwerk herein.
    »Das ist also dein wundervolles Zuhause?«
    »Ja! Was willst du hier? Und wie siehst du überhaupt aus? Du stinkst übrigens unerträglich nach Alkohol! Barolo, oder?«
    Diese Fachkenntnis rang Giacomo Anerkennung ab. Daisy hatte also nicht nur schöne dunkle Augen, sondern auch eine ausgesprochen gute Nase. So etwas schätzte er besonders am anderen Geschlecht.
    »Was sollen diese Punkte auf deinem Fell?«, fuhr sie fort. »Du bist doch kein Dalmatiner. Und jetzt

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