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Blut der Wölfin

Blut der Wölfin

Titel: Blut der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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erklärt, dass der Ausbruch der Cholera viele Gäste veranlasst hatte, ihre Reservierungen zu stornieren oder ihren Besuch in Toronto abzukürzen.
    Clay brachte Jaimes Gepäck von unserem Zimmer in ihres und ging dann wieder, damit wir auspacken konnten. Oder er tat jedenfalls so; ich wusste, er würde ganz in der Nähe bleiben, wahrscheinlich im Flur.
    Sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, sackte Jaime gegen die Wand.
    »Ich hab mich komplett zum Affen gemacht, stimmt’s?«, fragte sie.
    »Wie meinst du das?«, fragte ich zurück, während ich mich bückte, um den Reißverschluss ihres Koffers zu öffnen.
    »Ich mache das schon«, sagte sie. »Es hört sich so an, als ob du noch einen anstrengen Tag vor dir hast. Setz dich hin, solange du kannst.«
    Als ich zögerte, griff sie nach dem Koffer und scheuchte mich aufs Bett.
    »Ich plane wirklich eine Show in Toronto«, sagte sie, während sie ihren Kosmetikbeutel herausholte. »Das war nicht erfunden.«
    »Ich habe nicht …«
    Sie warf mir einen Seitenblick zu. »Jetzt hör aber auf. Ich tauche hier auf, mit irgendeiner lahmen Geschichte, dass ich mir geeignete Drehorte ansehen will, und das Erste, was ihr alle gedacht habt, war ›Ja, ganz sicher‹. Es stimmt aber. Ich habe hier im Winter einen Auftritt und muss mir die Gegebenheiten ansehen. Ich dachte, es wäre ein guter Zeitpunkt, um euch gleichzeitig bei dieser Geschichte helfen zu können. Euch allen.« Wieder ein rascher Blick zu mir herüber. »Nicht nur Jeremy.«
    »Ich glaube nicht, dass du wegen Jeremy hier aufgetaucht bist.«
    »Na, das ist immerhin schon eine, die das nicht glaubt.« Sie seufzte und hängte ein Kleid in den Schrank. »Ich will wirklich helfen, aber wenn es jemand anderes gewesen wäre? Hätte ich dann auch so schnell im Flugzeug gesessen?« Sie schüttelte den Kopf und nahm eine Bluse aus dem Koffer. »Ich versuche drüber wegzukommen. Es ist einfach peinlich.«
    »Sich zu jemandem hingezogen zu fühlen braucht niemandem peinlich zu sein.«
    Sie warf mir einen Blick zu. »Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, über die eigenen Füße zu fallen? Mich jedes Mal zu verhaspeln, wenn ich mit ihm rede? Seit
drei Jahren?
Ohne das geringste Anzeichen dafür, dass er auch nur im Geringsten interessiert ist?«
    »Bei Jeremy …«
    »Darf ich die üblichen Anzeichen nicht erwarten, ich weiß. Aber er muss wissen, was ich für ihn empfinde. Zum Teufel, alle Welt weiß das.«
    »Wenn du mir erlauben würdest, ihn zu fragen …«
    Sie wedelte hektisch mit den Händen. »O Gott, hör auf, das vorzuschlagen, sonst werde ich plötzlich weich und sage wirklich ›Mach’s‹. Kannst du dir das vorstellen? Wie in der fünften Klasse, wenn man eine Freundin bittet, einem Typen einen Zettel zu geben, auf dem steht ›Magst du mich?‹.«
    »Es wäre absolut nicht …«
    Sie fing meinen Blick auf. »Bitte nicht. Ich sage das nicht, um mich zu zieren – so zu tun, als wollte ich nicht, wenn ich in Wirklichkeit hoffe, du gehst hin und fragst. Vor zwei Jahren hätte ich’s vielleicht getan. Aber jetzt …« Ihr Blick glitt hinunter zu der Bluse, die sie in den Händen hielt, und sie faltete sie zusammen. »Ich fange an, mir zu überlegen, ob Jeremy und ich vielleicht, du weißt schon, trotz allem einfach befreundet sein können. So abgedroschen sich das anhört, es ist so schlecht nicht.«
    Sie holte tief Atem, schüttelte dann entschieden den Kopf und legte die Bluse in den Schrank. »Wenn ich erst mal über dieses erste schulmädchenhafte Herzflattern weg bin, sobald ich ihn sehe, wird es in Ordnung sein, und ich kann normal mit ihm reden. Noch besser, er hört zu.« Ein kleines Lächeln. »Manchmal redet er sogar selbst.«
    »Das ist ein gutes Zeichen. Zuhören, das kann Jeremy gut. Reden? Nicht, wenn es auch nur entfernt um Persönliches geht.«
    »Ich weiß. Und das Zeug, über das ich mit ihm reden kann …« Als sie nach einem Stapel T-Shirts griff, sah ich, dass ihre Finger leicht zitterten. »Normalerweise würde ich nie darüber reden. Ich habe nicht das Gefühl, ich müsste … ich weiß nicht, die Showbiz-Jaime sein.« Sie lächelte kurz in meine Richtung. »Wer weiß, vielleicht überlegt er es sich eines Tages noch anders. Bis dahin ist es schon okay so.«
    Ich wünschte mir, helfen zu können. Wünschte es mir wirklich. Vor zwei Jahren hatte ich sie nicht gerade ermutigt. Ich hatte nichts gegen Jaime gehabt, sie schien mir nur nicht zu Jeremy zu passen. Ich war mir immer noch

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