Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
installieren lassen. Die Frage ist, ob sie auch aufzeichnen. Das kann uns Marino sicher beantworten. Ich glaube, er hat ihr beim Einbau geholfen. Vielleicht steht hier ja auch irgendwo ein digitaler Videorecorder.«
»Die Kameras sind ihre? Auch die am Eingang? Gehört die nicht dem Hausbesitzer?«
»Nein, ihr.«
»Ausgezeichnet«, erwidert Chang. »Erinnern Sie sich, wie die Frau ausgesehen hat?«
»Es war dunkel, und alles ging sehr schnell. Sie hatte eine Beleuchtung am Helm, ein Fahrrad und eine Art Tasche oder Rucksack, in der das Essen war. Weiß, weiblich, ziemlich jung. Schwarze Hose, helles Hemd. Sie hat mir die Tüte überreicht und mir gesagt, was sich darin befand. Ich habe ihr zehn Dollar Trinkgeld gegeben. Dann habe ich das Haus betreten und bin mit dem Aufzug nach oben in Jaimes Wohnung gefahren.«
»War an der Tüte etwas Ungewöhnliches?«, erkundigt sich Colin.
»Es war einfach eine weiße Tüte mit dem Namen des Restaurants darauf. Mit Heftklammern verschlossen. Die Quittung hing daran. Marino hat sie aufgemacht und das Sushi in den Kühlschrank gestellt. Jaime hat es wieder herausgenommen und den Großteil davon gegessen. Verschiedene Rollen und Seetangsalat. Von dem Seetangsalat müsste noch etwas übrig sein. Ich habe ihn in den Kühlschrank gestellt, als ich ihr gestern gegen halb oder Viertel vor eins beim Aufräumen geholfen habe. Wir müssen die Behälter aus dem Müll holen und alle Reste einsammeln.«
»Auch die Tüte und die Quittung«, sagt Chang. »Die müssen dringend im Labor auf Fingerabdrücke und DNA untersucht werden.«
»Meiner Schätzung nach ist sie seit mindestens zwölf Stunden tot.« Colin packt seinen Tatortkoffer zusammen. »Also seit dem frühen Morgen. Genauer kann ich den Zeitpunkt nicht festlegen. Ich würde sagen, so zwischen vier und fünf. Bis jetzt habe ich, mit Ausnahme ihres Todes, keinen Hinweis darauf entdeckt, was ihr zugestoßen ist. Und die anderen sind auch vergiftet worden?« Er meint Kathleen Lawler und Dawn Kincaid. »Wie ist das möglich? Wie kann jemand zwei Häftlinge vergiften, die fünfzehnhundert Kilometer voneinander entfernt einsitzen, und außerdem noch diese Frau umbringen?« Also Jaime. »Die gute Nachricht, wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt davon sprechen kann, ist, dass die Droge oder das Gift offenbar über den Verdauungstrakt aufgenommen wurde, nicht durch Hautkontakt oder Einatmen. Also besteht für uns hoffentlich keine Gefahr.«
»Da bin ich aber erleichtert«, erwidert Chang. »Immerhin haben wir in der Zelle des einen Opfers herumgewühlt und werden uns gleich auf den Mülleimer des nächsten stürzen.«
Ich kehre ins Wohnzimmer zurück. Das Durcheinander auf dem Couchtisch erinnert an das im Badezimmer. Alles liegt wild herum, als ob Jaime ihre Handtasche auf den Kopf gestellt und einfach ausgekippt hätte. Ein Döschen rezeptfreie Schmerztabletten. Lippenstifte. Eine Puderdose. Eine Haarbürste. Ein Parfümfläschchen. Pfefferminzbonbons. Gesichtspflegetücher. Einige leere Päckchen Blasenpflaster, Junizac gegen Gastritis und Sudafed gegen verstopfte Nebenhöhlen. Chang untersucht ihre Brieftasche aus Krokoleder, die Kreditkarten und Bargeld enthält, und meldet, dass offenbar nichts gestohlen wurde. Ich teile ihm mit, dass er sich auch nach einer Waffe umschauen soll. Der Revolver, den er aus einem Seitenfach der großen braunen Ledertasche zieht, ist ein .38er Smith & Wesson mit kurzem Lauf. Er richtet ihn auf die Zimmerdecke und betätigt den Auswurf, sodass sechs Kugeln auf seiner Handfläche landen.
»Speer Plus P Gold Dots«, verkündet er. »Die hat sich nicht lumpen lassen. Nur genützt hat ihr das auch nicht viel.«
»Ich würde gern mit dem Müll anfangen.« Ich gehe in die Küche. »Ich könnte jeden Essensbehälter in einen Müllsack stecken. Letzte Nacht beim Aufräumen habe ich eine Rolle bemerkt. Mit Hundertzwanzig-Liter-Säcken müsste es fürs Erste klappen.«
Ich hole die schwarzen Müllsäcke aus dem Schränkchen unter der Spüle und fange an, sie auszuschütteln, um jeden Sushibehälter einzeln zu verpacken. Während ich mich am Mülleimer zu schaffen mache, öffnet Chang den Kühlschrank und späht hinein, ohne etwas anzufassen.
»Ich nehme an, dass Sie wasserdichtes Klebeband dabeihaben «, sage ich zu ihm, als mir der fischige Geruch verdorbener Meeresfrüchte aus dem Mülleimer entgegensteigt.
»Verdammt, das stinkt aber«, beschwert er sich.
»Sie hat letzte Nacht den Müll nicht
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