Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
bewaffnet hätte, wenn ich mit einem Mordanschlag hätte rechnen müssen. Und ich gebe zu, dass es nie so weit gekommen wäre, wenn ich besser aufgepasst hätte. Ich war abgelenkt und übermüdet.«
»Außerdem wollte das FBI wissen, ob mir etwas über deine Beziehung zu Jack Fielding bekannt sei«, fährt Jaime fort. »Wärt ihr beide je ein Paar gewesen? Könntest du besitzergreifend oder ihm hörig gewesen sein? Hättest du dich von ihm zurückgewiesen gefühlt? Würdest du an eifersüchtigen Wutanfällen leiden?«
Sie trinkt noch einen Schluck Scotch. Ich bin versucht, aufzustehen und mir auch ein Glas zu holen. Doch das wäre unklug. Ich kann es mir nicht leisten, ihr noch mehr Angriffsfläche zu bieten, und muss morgen einen klaren Kopf haben.
»Und haben sie dir auch das Märchen zum Thema Selbstverteidigung erzählt?«, frage ich.
»Nein, so großzügig ist das FBI nicht. Diese Leute haben ein großes Talent dafür, einem Informationen ohne Gegenleistung zu entlocken. Sie haben mir nicht verraten, warum sie sich nach dir erkundigt haben.«
»Eine Hand wäscht nicht die andere«, wiederhole ich.
»Ich dachte, du würdest einer Frau helfen wollen, die wegen eines Verbrechens hingerichtet werden soll, das sie nicht begangen hat«, entgegnet Jaime. »Vielleicht kannst du angesichts deiner Situation ja besser denn je verstehen, wie es ist, fälschlich des Mordes oder des Mordversuchs beschuldigt zu werden«, fügt sie mit Nachdruck hinzu.
»Ich muss nicht erst grundlos eines Verbrechens beschuldigt werden, um zu wissen, was richtig und was falsch ist«, erwidere ich.
»Lola wird einen grausigen Tod sterben«, spricht Jaime weiter. »Sie werden dafür sorgen, dass er weder schmerzlos noch gnädig ausfällt. Dr. Clarence Jordan kam aus dem alten Geldadel von Savannah, war ein guter Christ, ein anständiger Mensch und immer großzügig. Es war bekannt, dass er Bedürftige kostenlos behandelte, ehrenamtlich in der Notaufnahme aushalf und sich an Thanksgiving und Weihnachten in der Suppenküche engagierte. Ein wahrer Heiliger, wie viele sagen.«
Vermutlich ist es möglich, dass ein strenggläubiger Mensch, ein Heiliger, sich die Mühe spart, die Alarmanlage einzuschalten. Ich frage mich, ob die Jordans sie selbst eingebaut hatten oder ob sie noch vom Vorbesitzer des denkmalgeschützten Hauses stammt.
»Weißt du etwas über die Alarmanlage im Haus der Jordans? «, erkundige ich mich.
»Offenbar war sie in den frühen Morgenstunden des Mordtages nicht aktiviert.«
»Findest du das nicht seltsam?«
»Die Frage beschäftigt mich auch. Warum war sie nicht an?«
»Lola hat sich nicht dazu geäußert?«
»Sie war nicht die Einbrecherin«, hält Jaime mir vor Augen. »Ich habe keine vernünftige Erklärung.«
»Hat sich irgendjemand damit befasst, ob die Jordans öfter ihre Alarmanlage nicht aktiviert haben?«
»Es ist niemand mehr am Leben, der mit Sicherheit etwas über ihre Alltagsgewohnheiten sagen kann«, erwidert Jaime. »Aber ich habe Marino gebeten, auch dieser Sache auf den Grund zu gehen.«
»Wenn die Alarmanlage aktiviert und telefonisch mit einer Sicherheitsfirma verbunden war, müsste es Aufzeichnungen darüber geben, ob sie regelmäßig ein- und ausgeschaltet wurde«, merke ich an. »Außerdem auch über mögliche Fehlalarme, Schwierigkeiten mit der Verbindung, irgendetwas, das darauf hinweist, ob die Jordans sie benutzt und eine monatliche Rechnung bezahlt haben.«
»Ein sehr guter Einwand, auf den in den Akten, die ich gesichtet habe, nur unzureichend eingegangen wird«, meint Jaime. »Auch nicht in den Vernehmungen.«
»Hast du mit dem Ermittler geredet?«
»GBI Special Agent Billy Long ist seit fünf Jahren im Ruhestand und findet, dass seine Berichte und Aufzeichnungen für sich selbst sprächen.«
»Hast du ihn persönlich befragt?«
»Marino hat das erledigt. Laut Ermittler Long war die Alarmanlage in jener Nacht nicht eingeschaltet. Nach allgemeiner Auffassung waren die Jordans vertrauensselig und ziemlich lässig in Sicherheitsfragen«, antwortet Jaime. »Außerdem hätten sie die Fehlalarme satt gehabt.«
»Also haben sie die Alarmanlage nicht mehr benutzt? Nicht einmal nachts? Das kommt mir ein wenig extrem vor.«
»Nachlässig, aber verständlich«, entgegnet sie. »Zwei Fünfjährige, da kannst du dir ja vorstellen, was passiert. Sie machen einfach die Tür auf, und der Alarm geht los. Nachdem man ein paarmal die Polizei im Haus hatte, hat man die Sache satt und fängt an zu
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