Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
erklärt Jaime, während ich die Nachrichten auf meinem iPhone abfrage und ihr die erwartete Reaktion vorenthalte.
Nämlich dass mir vor lauter Erleichterung ein Stein vom Herzen fällt. Was kann ich tun, um dir zu danken, Jaime? Dein Wunsch sei mir Befehl. Du brauchst es nur zu sagen .
»Also war Dawn Kincaid eindeutig dort«, verkündet Jaime, als ob es daran nichts zu rütteln gäbe. »Sie war zur Tatzeit im Haus der Jordans. Sie hat auf der Toilette Schamhaare und unter den Fingernägeln der fünfjährigen Brenda Hautzellen und Blut hinterlassen. Das Kind muss sich wie wild gewehrt haben.«
Sie gibt mir einen Moment, eine dramatische Pause, damit sich ihre Worte setzen können, während ich in Gedanken völlig woanders bin.
Ist alles in Ordnung? Wo bist du? Benton hat mir gerade eine SMS geschickt. Wer oder was ist Anna Copper LLC?
»Ich glaube, ich verstehe dein Interesse an Kathleen Lawler«, sage ich zu Jaime, während ich Benton ein Fragezeichen sende.
Ich habe keine Ahnung, was er meint, denn von einer Anna Copper LLC habe ich noch nie gehört.
»Sicher hofft Kathleen, dass für sie etwas dabei herausspringt, wenn sie mit dir zusammenarbeitet«, spreche ich weiter. »Du könntest ja vielleicht einen Straferlass für sie herausschlagen oder an den Begnadigungsausschuss appellieren.«
»Sie war wirklich sehr kooperativ«, erwidert Jaime. »Und ja, sie will ihr Leben zurück. Dafür wäre sie zu fast allem bereit.«
»Weiß sie, dass die neuen DNA-Untersuchungen ihre leibliche Tochter belasten?«
»Nein.«
»Was macht dich so sicher? Ich habe nämlich den Eindruck, dass die Wände im GPFW Augen und Ohren haben.«
»Ich war vorsichtig.«
»Wies Lola Daggette bei ihrer Festnahme kurz nach den Morden Verletzungen auf?«, erkundige ich mich. »Wurde sie daraufhin untersucht? Auf Schürfwunden, Kratzer und Blutergüsse? Wurde sie einer forensischen körperlichen Untersuchung unterzogen?«
»Nicht, soweit mir bekannt ist. Allerdings waren keine deutlichen Verletzungen festzustellen, und das hätte die Polizei stutzig machen sollen«, entgegnet Jaime, und sie hat recht. »Zweifellos hat Brenda sich gewehrt und die Person, die sie angriff, so kräftig gekratzt, dass Blut floss. Deshalb hätte es die Polizisten wundern müssen, dass Lola keine Kratzer hatte.«
»In diesem Fall hätte man sich wirklich einige Fragen stellen müssen«, stimme ich zu. »Und dass die DNA der unter Brendas Fingernägeln sichergestellten Proben genetisch nicht mit der von Lola übereinstimmt, wäre doch Grund für weitere Fragen. Für sehr wichtige Fragen, denn das ist ein gewaltiger Widerspruch.«
»Ja, und zwar einer, der darauf hinweist, dass Lola nicht die Täterin sein kann.«
»Oder dass sie die Morde nicht allein begangen hat.«
»Ein Fall von extremem Scheuklappendenken«, merkt Jaime an. »Die Leute hier wollten, dass diese Morde aufgeklärt werden, um wieder Ruhe und Frieden zu finden und das Gefühl zu haben, dass geordnete Verhältnisse und Vernunft in ihr reizendes Städtchen zurückgekehrt sind.«
»Leider geschieht so etwas öfter. Insbesondere, wenn es um sehr emotionsgeladene und medienwirksame Verbrechen geht.«
»Dawn hat die Jordans umgebracht, ein paar ordentliche Kratzer abgekriegt, sich ein Sandwich gemacht und die Gästetoilette benutzt«, fasst Jaime zusammen. »Und der Witz an der Sache ist, dass ich das seit dem Angriff auf dich in Massachusetts beweisen kann. Nachdem sie wegen des Mordanschlags verhaftet wurde, wurde ihr DNA-Profil in das Combined DNA Index System des FBI eingegeben. Und als ich die DNA aus dem Haus der Jordans noch einmal testen und mit CODIS abgleichen ließ, hatten wir plötzlich eine Übereinstimmung. Mir ist klar, was für ein Schock das für dich sein muss. Es war wirklich eine Überraschung.«
»Vielleicht nicht unbedingt ein Schock.« Diese Genugtuung gönne ich Jaime nicht. »Kathleen Lawler hat angedeutet, Dawn könnte im Januar 2002, als die Jordans ermordet wurden, in Savannah gewesen sein. Bei unserem heutigen Gespräch sagte sie so etwas zu mir. Angeblich sei das die erste Begegnung der beiden gewesen. Meinst du, Kathleen könnte wissen, was ihre Tochter getan hat?«
»Schwer vorzustellen. Warum sollte Dawn ihr so etwas beichten, außer sie legt es darauf an, erwischt zu werden«, antwortet Jaime. »Es ist ein gewaltiger Durchbruch in mehr als nur einem Fall. Uns ist bekannt, dass Dawn Kincaid sich zum fraglichen Zeitpunkt hier in Savannah aufhielt. Da kann sie,
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