Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)
schlampen. Außerdem hat man einen Türriegel, für den man einen Schlüssel braucht, und befürchtet, die kleinen Kinder könnten im Haus eingesperrt sein, falls es brennt. Deshalb legt man sich die schlechte Angewohnheit zu, den Schlüssel stecken zu lassen, sodass ein Eindringling nur die Scheibe einschlagen muss, um die Tür von innen zu öffnen.«
»Und worauf basiert diese Erklärung für die scheinbare Nachlässigkeit der Jordans?«, frage ich.
»Auf Special Agent Longs damaligen Schlussfolgerungen«, entgegnet Jaime, während ich mich immer tiefer in einen Fall einarbeite, um den ich eigentlich einen Bogen machen sollte.
Weil ich reingelegt worden bin.
Jaime Berger hat sämtliche Register gezogen, damit ich nun in diesem Wohnzimmer sitze und dieses Gespräch führe.
»Falls der Einbrecher wusste, ob die Alarmanlage lief oder nicht, teilt uns das etwas über diese Person mit.« Ich dringe weiter in die Sache vor, genau wie Jaime es vorausgesehen hat. »Weißt du zufällig, ob das Tastenfeld durch die Tür sichtbar war? Hätte ein Einbrecher von außen feststellen können, ob die Alarmanlage an war oder nicht?«
»Das ist auf den Fotos nur schwer zu erkennen. Aber ich halte es für möglich. Jemand hätte durch die Scheibe spähen und sehen können, ob das Lämpchen auf dem Tastenfeld grün oder rot leuchtete.«
»Diese Einzelheiten sind wichtig«, erkläre ich ihr. »Sie sagen uns etwas über das Denken des Mörders. Waren die Jordans Zufallsopfer? Hatten sie einfach nur Pech? Hat jemand die Scheibe an der Küchentür eingeschlagen und den Schlüssel umgedreht, mit dem Plan, einfach davonzulaufen, falls ein Alarm losgeht? Hatte diese Person Grund zu der Annahme, dass die Alarmanlage vermutlich deaktiviert sein würde? Oder konnte sie es einfach sehen? Steht das Haus der Jordans noch?«
»Die Küche wurde umgebaut. Ich bin nicht sicher, was sonst noch verändert worden ist, doch hinter dem Haus gibt es ein Nebengebäude, das damals noch nicht da war. Die ursprüngliche Hintertür wurde durch eine stabilere ersetzt. Der derzeitige Besitzer hat einen Vertrag mit der Sicherheitsfirma Southern Alarm. Auf dem Grundstück stehen Schilder, und es sind Aufkleber an den Fenstern.«
»Das kann ich mir denken.«
»Über die Alarmanlage der Jordans wissen wir nur, dass die Sicherheitsfirma Coastal Security hieß.«
»Noch nie davon gehört.«
»Ein kleiner hiesiger Wachdienst, der sich auf Installationen in denkmalgeschützten Gebäuden spezialisiert hatte, wo es hauptsächlich darum geht, die antiken Holzteile nicht zu beschädigen. « Jaime trinkt einen Schluck. »Als vor einigen Jahren die Wirtschaft einbrach und die Immobilienpreise, insbesondere für historische Prunkvillen, in den Keller fielen, haben sie Pleite gemacht. Inzwischen sind viele dieser Häuser in Eigentumswohnungen oder Büroflächen umgewandelt worden.«
»Und das hat Marino herausgefunden.«
»Warum spielt es eine Rolle, wer es herausgefunden hat?«
»Das frage ich deshalb, weil er ein erfahrener und gründlicher Ermittler ist. Informationen, die er auftreibt, sind immer zuverlässig.«
Sie mustert mich, als hätte ich gerade die Unwahrheit gesagt. Offenbar ist sie neugierig, ob ich eifersüchtig bin. Sie rechnet mit meiner Ablehnung, weil Marino ihretwegen hier ist und seine Vollzeitstelle am CFC aufgeben will. Vielleicht befriedigt sie es ja insgeheim, dass sie Marino abgeworben hat. Doch Eifersucht ist es nicht, was ich empfinde. Mir gefällt der Einfluss nicht, den sie auf ihn ausübt, und zwar nicht aus den von ihr angenommenen Gründen. Ich glaube nur nicht, dass sie sein Wohlbefinden, oder überhaupt das Wohlbefinden eines anderen Menschen, im Sinn hat.
»Hast du Colin Dengate nach der Alarmanlage gefragt?«, erkundige ich mich. »Hat er vielleicht gehört, wie die Ermittler darüber gesprochen haben, warum die Alarmanlage nicht lief?«
»Er verrät mir nichts, was mit den polizeilichen Ermittlungen zu tun hat«, erwidert sie. »Er weist mich nur auf die Quelle hin, was zwar korrekt, aber nicht sehr hilfreich ist. Nicht einmal kooperativ, wenn wir ehrlich sind. Obwohl er reden und seine Meinung äußern dürfte, hat er beschlossen, nicht mit mir zu sprechen.«
»Spricht er denn mit Marino?«
»Ich hätte Marino nie zu ihm geschickt. Das ist nicht der richtige Weg. Colin soll meine Fragen beantworten. Oder deine.«
Ein Fehler , denke ich. Marino ist genau der Typ raubeiniger, mit allen Wassern gewaschener Cop, zu dem Colin
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