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Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition)

Titel: Blut: Ein Kay-Scarpetta-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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mich unter allen Umständen zur Buhfrau machen, um ihr eigenes Verhalten zu rechtfertigen. Damit alle verstehen, warum sie sich von mir getrennt hat.«
    »Ja, genauso würde ich das auch sehen.« Ich halte Ausschau nach dem Transporter, den ich zwar hören, aber noch nicht sehen kann. Inzwischen ist er auf der Abercorn Street und kommt immer näher. Ich versuche, meine tiefe Verachtung für eine Frau zu unterdrücken, die meine Nichte vermutlich noch immer liebt.
    »Das ist der wahre Grund, warum ich aus New York weg bin. Ich wusste, dass über eine Sicherheitslücke gemunkelt wurde, obwohl mich niemand direkt beschuldigt hat. Ich konnte dort unmöglich weiter als forensische Computerexpertin arbeiten.«
    »Am meisten hat dich verletzt, wie sie dich behandelt hat. Deshalb hast du New York und allem, was du dir aufgebaut hattest, den Rücken gekehrt«, widerspreche ich ruhig. »Dass du nur wegen ein paar Gerüchten ganz von vorn in Boston angefangen hast, nehme ich dir nicht ab.«
    Ich werfe einen Blick auf das Haus, in dem Jaime wohnt, und auf ihre erleuchteten Fenster. Ihre Silhouette bewegt sich hinter den zugezogenen Vorhängen des Raums, der vermutlich das Schlafzimmer ist.
    »Ich wünschte nur, du hättest es mir erzählt. Warum hast du es nicht getan?«, füge ich hinzu.
    »Ich habe befürchtet, dass du mich dann nicht am CFC haben willst. Weder als IT-Beauftragte noch als Mensch.«
    »Dass ich dich genauso aus meinem Leben verbannen würde wie sie?«, entfährt es mir unwillkürlich. »Jaime hat dich aufgefordert, gegen das Gesetz zu verstoßen, obwohl sie wusste, wie abhängig du von ihr warst … Nein, so wollte ich es nicht ausdrücken.«
    Lucy schweigt, und ich beobachte Jaime Bergers Silhouette, die am Fenster hin und her geht. Ich überlege, ob sie wohl einen Überwachungsbildschirm im Zimmer hat und ihn kontrolliert. Dann beobachtet sie mich vielleicht. Es könnte auch sein, dass sie bestürzt ist, weil ich kein Blatt vor den Mund genommen habe und dann gegangen bin, als würde ich nie wiederkommen. Ich denke an das alte Sprichwort, dass Menschen sich nicht verändern. Doch Jaime hat sich verändert. Sie hat sich zu einem früheren Jahrgang zurückentwickelt, der verdorben ist wie falsch gelagerter Wein. Sie lebt wieder eine Lüge, und inzwischen ist sie nicht mehr auszuhalten. Ich kann sie nicht ertragen.
    »Jedenfalls weiß ich jetzt Bescheid«, sage ich zu Lucy. »Und es ändert für mich nichts.«
    »Aber es ist wichtig, dass du mir glaubst. Es war nicht so, wie sie es geschildert hat.«
    »Das ist mir egal.« Im Moment stimmt das wirklich.
    »Ich habe nur ein paar Zahlen abgeglichen, indem ich mir die Aufzeichnungen über die ursprünglichen Beschwerden angeschaut habe. Das hätte ich nicht tun sollen.«
    Nein, das hätte sie nicht. Allerdings hat Jaime noch etwas viel Schlimmeres getan. Sie war eiskalt berechnend und hätte gemeiner nicht sein können. Sie hat die Macht, die sie über Lucy hatte, missbraucht und meine Nichte anschließend verraten. Während ich das Telefonat beende, frage ich mich, wen Jaime wohl als Nächstes für ihre Zwecke einspannen wird. Erst Lucy und Marino. Vermutlich stehe ich selbst auf dieser Liste. Immerhin bin ich in Savannah und in einen Fall verwickelt, von dem ich bis vor wenigen Stunden nahezu nichts wusste. Wieder schaue ich hinauf zur Wohnung und beobachte, wie sie sich hinter dem Fenster bewegt. Offenbar geht sie nervös auf und ab.
    Es ist kurz vor eins. Der Transporter schimmert in den Lichtkegeln der Straßenlaternen gespenstisch weiß. Laut donnert er auf mich zu wie eine von Geistern besessene Maschine aus einem Horrorfilm, wird langsamer, beschleunigt, ruckelt und bebt. Offenbar hat Marino, seit er vor einigen Stunden Jaimes Wohnung verlassen hat, keinen Mechaniker auftreiben können. Mit quietschenden Bremsen stoppt er vor dem Mietshaus. Als ich die Beifahrertür öffne, ächzt sie in den Angeln. Die Innenbeleuchtung brennt nicht, weil Marino sie in jedem Fahrzeug abschaltet, um nicht ein gut sichtbares Ziel abzugeben. Ich bemerke Tüten auf der Rückbank.
    »Warst du einkaufen?«, frage ich ihn und höre, wie angespannt meine Stimme klingt.
    »Ich habe Wasser und noch ein paar Sachen besorgt, die wir mit auf unsere Zimmer nehmen können. Was ist passiert?«
    »Nichts Gutes. Warum hast du mich mit ihr allein gelassen? Lautete so deine Anweisung?«
    »Ich habe dir gesagt, dass ich dich anrufe, wenn ich da bin«, meint er tadelnd. »Wie lange wartest du

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