Blut für Blut: Thriller (German Edition)
den kurzen Weg den Blegdamsvej entlang. Als sie sich dem Haupteingang des Krankenhauses näherte, sah sie Niclas schon von Weitem. Er stand lässig an einen Betonpfeiler gelehnt vor dem Hauptgebäude und rauchte. Als er sie sah, hob er nonchalant die Hand und winkte. Sie winkte nicht zurück, nickte nur freundlich, als sie ihm kurz darauf gegenüberstand.
»Gut, dass du kommen konntest. Sie ist bereit, befragt zu werden.«
»Wie geht es Super?«
»Den Umständen entsprechend gut, aber die Gallenblase wird er wohl verlieren.«
Niclas warf die Zigarette auf den Asphalt und trat sie mit der Schuhspitze aus. Das Jackett war gebügelt, das T-Shirt darunter kreideweiß, und die Schuhe waren frisch geputzt. Rebekka kam sich plötzlich schmutzig vor und hoffte, dass sie nicht zu sehr nach Alkohol und Zigaretten stank. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl in die Gynäkologie hoch, wo das Zentrum für Vergewaltigungsopfer lag, und wurden von einer wortkargen Krankenschwester in ein Krankenzimmer geführt.
Das Licht in dem Raum war bläulich. Trine Rasmussen lag in einem Bett am Fenster. Sie schlief und atmete leicht und rasselnd, hatte sich wie eine Kugel unter der blau-weiß gestreiften Decke zusammengerollt. Am Fußende des Bettes saß eine Frau mittleren Alters auf einem Schemel, Trine Rasmussens Mutter, und blickte nervös zu ihnen hoch, als sie zur Tür hereinkamen. Sie stand zögernd auf und machte eine hilflose Handbewegung. Niclas fasste sie behutsam am Arm, und zusammen mit der Krankenschwester führte er sie aus dem Zimmer. Währenddessen betrachtete Rebekka die junge Frau. Um den Kopf hatte sie einen großen Verband, durch den an einer Seite ein wenig rostrotes Blut gedrungen war. Die geschlossenen Augen waren geschwollen und von blaulila Ringen umrahmt, ein sogenanntes Brillenhämatom, das bei derartigen Schädelfrakturen normal war. Das lange, dunkle Haar lag steif vor getrocknetem Blut auf dem Kissen ausgebreitet.
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie ich mich freue, das verdammte Schwein in die Finger zu kriegen«, flüsterte Niclas plötzlich dicht neben ihr, und Rebekka zuckte zusammen und sah sich schnell um.
»Du hast mich erschreckt«, zischte sie wütend.
Er hielt die Hände vor sich, als hätte man ihn verhaftet, dann trat er auf die andere Seite des Krankenhausbetts. Trine Rasmussen spürte ihre Anwesenheit deutlich und wälzte sich unruhig im Schlaf.
»Ich habe gerade mit dem Arzt gesprochen. Sie haben ihr vor Kurzem ein Beruhigungsmittel gegeben, weil sie schreiend aufgewacht ist. Ich hoffe, dass sie ihr nicht zu viel gegeben haben, es wäre schon gut, wenn sie mit uns reden könnte. Versuchen wir mal, sie zu wecken.« Niclas legte der Frau seine breite Hand auf den Oberarm.
»Hey, Trine, ich heiße Niclas Lundell, und das ist meine Kollegin Rebekka Holm. Wir sind von der Polizei und möchten gerne mit Ihnen über den Überfall reden.«
Trine Rasmussen wimmerte leicht und drehte sich von Niclas weg. Er nickte Rebekka schnell zu, die sich näher zu der jungen Frau hinbeugte, die schwach nach Schweiß roch. Ihre aufgesprungenen Lippen waren leicht geöffnet, und dort, wo die Vorderzähne hätten sein sollen, war ein leeres, dunkles Loch.
»Trine, ich heiße Rebekka. Ich kann mir vorstellen, dass Sie Angst und Schmerzen haben und einfach nur schlafen wollen, doch wir sind hier, weil es für uns sehr wichtig ist zu erfahren, an was Sie sich von dem Überfall erinnern.«
Die Wimpern flimmerten, und die junge Frau befeuchtete ihre trockenen Lippen. Lange Minuten verstrichen, bevor Trine antwortete.
»Er war einfach da, ganz plötzlich.« Die heisere Stimme war kaum hörbar, und Rebekka rückte näher.
»Was hat er gesagt?«
»Ich weiß nicht … er hat hässliche Dinge gesagt. Mich eine kleine Hure genannt. Ein billiges Flittchen …«
»Können Sie sich an Details erinnern, wie er ausgesehen hat. An Laute, Gerüche?«
»Er roch …« Trines Stimme verebbte. Rebekka und Niclas starrten sie stumm an, in der Hoffnung, dass sie mehr sagen würde, doch sie sagte nichts.
»Er hat gerochen? Nach was hat er gerochen?«, flüsterte Rebekka, und Trines dunkle Wimpern zitterten leicht.
»Gerochen«, flüsterte sie wieder und rutschte nervös hin und her.
»Trine, Sie sind in Sicherheit. Sie sind im Reichskrankenhaus.«
Trine setzte sich plötzlich mit weit aufgerissenen Augen im Bett halb auf. Sie starrte stumm vor sich hin, ohne Rebekka und Niclas wahrzunehmen.
»Trine, was sehen Sie?«
Trines Gesicht
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