Blut für Blut: Thriller (German Edition)
vorzumachen, dass sie ihre Freundin ist, und sie dann auf diese Weise zu verraten. Ich fasse es nicht. Die Frauen werden schließlich ermordet …« Rebekkas Stimme zitterte vor Wut. Reza nickte.
»Ich habe von Taxifahrern gehört, die die weggelaufenen Frauen im Auge behalten und sich untereinander benachrichtigen, aber das übersteigt meine Phantasie.«
»Es ist beängstigend. Wir haben uns noch nicht eingehend mit dem Fall beschäftigt, aber ich bin mir sehr sicher, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist. Wenn wir tiefer graben, werden noch weitere Schicksale auftauchen, davon bin ich überzeugt.«
»Kissi hat also herausgefunden, dass Haleema keine unglückliche Frau war, die misshandelt worden ist, sondern eine zynische Spionin, und Haleema hat sie umgebracht, um nicht aufzufliegen.« Reza sah sie eifrig an.
»Das ist eine Möglichkeit. Mit Sicherheit weiß ich nur, dass Haleema Hamad diese Frauen verraten und ihrem gnadenlosen Schicksal überlassen hat. Schon allein aus diesem Grund muss ihr Einhalt geboten werden. Ob sie Kissi umgebracht hat, weiß ich nicht – noch nicht. Aber sie hat auf jeden Fall ein eindeutiges Motiv. Fahren wir.«
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Sejr wählte mit angehaltenem Atem die bekannte Nummer. Er hatte während des Vormittags mehrere Anläufe unternommen, doch jedes Mal, wenn er sich dem Telefon näherte, hatte ihn der Mut verlassen. Jetzt gab es keinen Aufschub mehr, er musste vor seinem abendlichen Vorhaben mit ihr reden.
»Iben.«
»Äh, hier spricht …« Er zögerte, spürte, wie ihm der Schweiß an den Schläfen hinunterlief. Wie sollte er sich vorstellen? Sejr Brask klang so formell, und Vater zu sagen, das ging vermutlich zu weit.
»Wer ist denn da? Ich habe diese Anrufe so verdammt satt …«
»Vater«, rutschte es ihm heraus, und am anderen Ende der Leitung wurde es still.
»Entschuldigung, ich meine …« Er zögerte kurz, während er sich fieberhaft die Leitung um die feuchten Finger wand. »Ich heiße Sejr Brask – und ich bin dein biologischer Vater.«
Iben schwieg weiter, und er räusperte sich nervös und fügte hinzu: »Ich weiß, dass es viele Jahre her ist, viel zu viele, aber … ich rufe jetzt an, um zu sagen, dass ich dich gerne sehen würde, bevor es zu spät …«
Er wollte noch mehr sagen, doch in dem Moment legte Iben auf, und er starrte verloren auf den tutenden Hörer.
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»Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Ich habe nichts mit irgendeiner Spionage zu tun.«
Haleema Hamad sah sie wütend an, als sie an der Tür ihres Reihenhauses in Herlev klingelten. Sie trug einen pfirsichfarbenen Bademantel, der ihren dunklen Teint betonte. Ein schwarzhaariger Junge von zehn, elf Jahren tauchte hinter ihr auf und sah sie erschrocken an.
»Verschwinde, Ahmed«, zischte sie, ohne ihn anzusehen, und der Junge verschwand blitzschnell.
»Wir möchten Sie und Ihren Mann Ali bitten, mit aufs Präsidium zu kommen. Wir möchten gerne mit Ihnen reden …«
»Ich verstehe nicht, um was geht es?«
Brodersen trat ganz in die Tür, die er vollständig ausfüllte, und Haleema blickte verschüchtert zu ihm hoch.
»Wir haben die Vermutung, dass Sie in diversen Frauenhäusern spioniert und Frauen für Geld an ihre Ehemänner verraten und damit bei deren Entführung und Ermordung mitgewirkt haben …«
»Nein …« Um Haleemas Mund zitterte es.
»Sie können freiwillig mitkommen, oder wir können auch …«
Brodersen konnte den Satz nicht beenden, bevor Haleema zischte: »Ich komme mit, aber Sie sind total auf dem Holzweg.« Sie starrte sie wütend an, und die Verwandlung von der erschrockenen Frau in eine Furie ließ es Rebekka kalt den Rücken hinunterlaufen. Sie traten ins Haus, in der Erwartung, Ali Hamad dort anzutreffen, aber er war nirgends zu sehen.
»Wo ist Ali?« Brodersen sah sich schnell um, Haleema zuckte mit den Schultern, und ein erschrockenes Kindergesicht tauchte hinter dem Sofa auf.
»Papa ist weggelaufen.« Der Junge, der etwa sieben war, zeigte in den Garten hinaus. Simonsen sprintete zu der offenen Terrasse hin, Rebekka lief durch die Haustür auf den Weg hinaus. Es war ganz still, und sie lief auf dem Bürgersteig hin und her, während sie nach allen Seiten Ausschau hielt. Sie hatte gerade beschlossen, zurück ins Haus zu gehen, als ihre Augen eine Bewegung hinter einem Baum den Weg weiter hinunter ausmachten. Mit ein paar langen Schritten war sie bei dem Baum, doch Ali Hamad hatte sie kommen sehen und sprang gewandt über eine niedrige Hecke, die einen
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