Blut für Blut: Thriller (German Edition)
über das mit ihrem Bruder, und sie möchte gerne mit Ihnen reden, am liebsten mit Ihnen persönlich, und sie traut sich nicht, selbst anzurufen. Deshalb mache ich das. Können Sie kommen? Jetzt?«
»Natürlich. Ich komme.«
Rebekka stieg aus dem Bett. Sie hatte zwei Gläser Wein getrunken, bevor sie zu Bett gegangen war, doch das war mehrere Stunden her, demnach konnte sie Auto fahren. Sie schlüpfte in ein paar schwarze Jeans, ein weißes T-Shirt und einen kurzen schwarzen Blazer. Auf dem Weg aus der Tür fuhr sie sich mit einer Bürste durch die Haare, und im Auto holte sie einen Kaugummi aus dem Handschuhfach. Eine Viertelstunde später parkte sie vor Marie-Louises Haus in der Højgaards Allé im Dyssegårdsviertel. Kristine Berg stand in der Tür, nahm sie in Empfang und führte sie ins Wohnzimmer, wo Marie-Louise, eingepackt in mehrere Decken, auf dem Sofa lag. Sie drehte Rebekka ein tränennasses Gesicht zu.
»Mein Bruder hat meine Mutter nicht umgebracht. Das weiß ich.«
Ihr Blick wurde trotzig. Rebekka antwortete nicht, sondern setzte sich ruhig auf einen Stuhl und betrachtete die Frau ihr gegenüber. Marie-Louises Augen waren geschwollen und blutunterlaufen, und Rebekka fühlte mit ihr. Es war keine Kleinigkeit, was sie die letzten Tage durchgemacht hatte. Die Mutter auf so brutale Weise zu verlieren und anschließend damit konfrontiert zu werden, dass der eigene Bruder ein Serienvergewaltiger und Mörder war, war mehr, als die meisten Menschen fassen konnten.
»Hören Sie, was ich sage. Thomas hat unsere Mutter nicht umgebracht. Er hat sie über alles geliebt, genau wie ich. Es ist völlig verrückt, dass Sie das von ihm denken.«
»Ihr Bruder hat zugegeben, vor zwanzig Jahren eine Frau vergewaltigt und ermordet zu haben, und er hat zugegeben, dass er sieben weitere Frauen überfallen und vergewaltigt hat, sie geschlagen hat – eine davon so brutal, dass sie heute in einem Pflegeheim …«
»Das ist etwas anderes.« Marie-Louises Stimme zitterte vor Erregung. »Es ist furchtbar, was er getan hat, und dafür gibt es keine Entschuldigung, aber das ist trotzdem etwas anderes. Er hat sie nicht gekannt. Für ihn waren das nur Körper, Körper, die er begehrt hat. Kissi war unsere Mutter.«
»Wenn man außer sich ist, denkt man nicht klar.«
Marie-Louise schüttelte den Kopf.
»Hören Sie auf, ihn zu bearbeiten. Thomas hat angerufen und erzählt, dass Sie darauf beharren, dass er unsere Mutter umgebracht hat. Er steht kurz vor dem Zusammenbruch. Das verkraftet er nicht.«
Rebekka durfte nicht verraten, was sie selbst von Thomas’ Schuld oder Unschuld hielt, und versuchte, die Unterhaltung in eine andere Richtung zu lenken.
»Es ist ein großer Schock, wenn sich von jemandem, der einem nahesteht, herausstellt, dass er ein schweres Verbrechen begangen hat … Oft weigert sich die Familie, das zu glauben.«
»Ich bezweifle nicht, dass er die Frauen vergewaltigt hat. Ich weiß nur, dass er unsere Mutter nicht umgebracht hat. O Gott – das ist alles so furchtbar.« Marie-Louise schaute Rebekka unglücklich an, dann sah sie Kristine, die während des ganzen Gesprächs in der Tür zum Wohnzimmer gestanden hatte.
»Oje, Kristine, ich habe gar nicht gesehen, dass du da stehst. Kannst du wohl so lieb sein und nachsehen, ob Louis schläft? Er soll nicht hören, worüber wir reden«, bat Marie-Louise, und Kristine nickte und verschwand.
»Kristine ist einfach phantastisch. All meine Freundinnen haben eine solche Berührungsangst wegen dem, was passiert ist, aber Kristine – sie kommt einfach immer wieder einmal vorbei. Sie fühlt, was ich brauche. Meine Mutter hat sie sehr gemocht, ich habe sie auch immer gut leiden können, doch in den letzten Wochen ist sie zu einer wirklich guten Freundin geworden.«
Marie-Louise lächelte vorsichtig. Kristine kam zurück und erzählte, dass Louis wie ein Stein schlief, und fragte, ob sie nicht eine Kanne Tee machen sollte. Marie-Louise lächelte sie dankbar an. Das wäre herrlich. Kristine verschwand in der Küche.
Sie schwiegen einige Sekunden, dann rückte Rebekka näher an Marie-Louise heran.
»Ich kann mir gut vorstellen, dass Ihnen Fragen über Fragen durch den Kopf gehen. Vor allem, warum Ihr Bruder getan hat, was er getan hat.«
Marie-Louise blinzelte und nickte ruhig.
»Wir werden nie ganz verstehen, warum jemand tut, was er tut. Ihr Bruder hat mir erzählt, dass er sich immer sehr einsam gefühlt hat, vor allem als Kind.«
»Das liegt aber nicht an
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