Blut im Schnee
wird?“
„Nein.“
„Die Werbung hing an meiner Windschutzscheibe. In der Diskothek A1 steigt eine Pride-Party , die wohl vom Zentrum ‚Porta Rosa‘ ins Leben gerufen wurde. Die Eintrittsgelder, sowie zehn Prozent des Getränkeumsatzes gehen an die Hinterbliebenen der Mordopfer.“
„Ich kenne das Schwulen- und Lesbenzentrum und gebe meinen Teil der Spenden gerne weiter“, bekannte Thorsten und nippte an der Tasse.
„Löblich. Aber was mich dabei interessiert, ist die Mischung der Gäste. Es ist zu erwarten, dass sehr viele Homosexuelle kommen werden, auch von weiter her. Und ich habe da so ein Gefühl, dass trotz der vermutlich vorhandenen Sicherheitskräfte, der Täter es sich nicht nehmen lassen wird, dort aufzukreuzen.“
„Hm, da wäre die Polizei gut beraten, ein paar Spitzel einzuschleusen.“
„Auch wenn sie es nicht tun, ich bin da. Allerdings habe ich vorher noch eine Fährte zu prüfen, die mit dieser Website zusammenhängt.“
„Was hast du gefunden?“
„Es gibt einen Nutzer, der bei den ersten beiden Opfern einen Kommentar hinterlassen hat. Ich komme nicht in die Tiefen der Plattform rein, aber mein Informant ist dran. Sollte besagter Nutzer auch Chat-Kontakt mit Martin und dem letzten Opfer gehabt haben, macht ihn das arg verdächtig.“
„Ist der aus der Nähe und kommt infrage?“, fragte Thorsten nach.
„Angegeben ist Großregion Trier. Aber genau bekomme ich das auch raus, den Namen hab ich schon. Dann wäre da noch etwas ...“, Enrique druckste herum.
Thorsten blieb nicht verborgen, dass Enrique dieses Thema lieber nicht anschneiden wollte. Er machte eine auffordernde Geste, damit Enrique weitersprach.
„Ich habe Martins Büro besucht. Dort traf ich auf Theresa Knob, die angegeben hat, sie würde aktuell die Firma leiten, aber das spielt eigentlich keine Rolle. Sie war sehr gesprächig und was sie zu erzählen hatte, bringt mich zu dem Schluss, dass Martin nicht der war, für den du ihn hieltest.“
„Warum?“
Enrique atmete tief und deutlich hörbar ein, als würde er erst Mut fassen, und begann, sein Wissen mit Thorsten zu teilen. Martin hatte, soweit Theresa im Bilde war, mindestens zwei Mal in der Woche Verabredungen mit Männern gehabt. Anfangs hielt sie diese Treffen für geschäftliche Termine, doch nach und nach wurde ihr klar, dass Martin sich mit diesen Männern vergnügte. Wenn er zurückkam, war sein Haar oftmals durcheinander, oder er trug seine Krawatte nicht mehr. Einmal hatte er sogar das Oberhemd gegen einen Pullover getauscht. Eigentlich Kleinigkeiten, die nichtssagend waren. Verraten hatte er sich schlussendlich selbst, nachdem Theresa ihn scherzhaft fragte, ob er mit dem Kunden um einen Auftrag gerungen hätte – denn so würde er aussehen. Daraufhin gab er ihr gegenüber zu, dass diese Treffen rein sexueller Natur waren. Sie hielt ihm eine Standpauke, da sie wusste, dass Martin und Thorsten ein Paar waren und zusammenlebten. Er konterte mit der Ausrede, er könne eben nicht jeden Tag Erbsensuppe essen. Zudem wäre er ausgeglichener und das käme ja auch Thorsten zugute.
„Sie musste ihm versprechen, Stillschweigen zu bewahren. Außer ihr wusste niemand von den Treffen. Sie organisierte schließlich auch die Hinterlegung des Testaments und die Lebensversicherung, als Martin sie darum bat. Allerdings veranlasste er das nicht, weil ihn ein schlechtes Gewissen plagte, sondern weil er bei solchen Dingen offenbar peinlich genau war.“
Thorsten hörte erst ungläubig, dann schockiert zu. Er hatte geglaubt, dass er Martin wirklich gekannt hatte – so wie Kim es vor ein paar Tagen sagte. Doch wie es aussah, stimmte das nicht. Martin hatte ein Doppelleben geführt, in gewisser Weise zumindest, und wollte oder konnte wohl nicht in einer monogamen Beziehung leben. Das zu erfahren tat weh. Der gleiche stechende Schmerz wie zu Anfang, als er von Martins Tod erfahren hatte, breitete sich in seiner Brust aus. Er rieb sich darüber, während er versuchte zu verstehen, was in Martin vorgegangen war. Thorsten wusste, gegenüber seinen Kunden war Martin ein gewissenhafter Mensch gewesen, der alles akribisch plante. Wenn er selbst nicht zu hundert Prozent überzeugt war, legte er seinen Kunden die Ergebnisse nicht vor. War das der Grund, warum er so versessen auf Abwechslung gewesen war? Hatte diese fast pedantische Eigenschaft ein Gegengewicht verlangt? Ein Ventil, um Dampf abzulassen? Thorsten wusste es nicht und es fiel ihm schwer, nicht wütend auf
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