Blut im Schnee
seinen Partner zu werden. Das Einzige, was ihn beruhigte, war die Tatsache, dass er nicht mit HIV infiziert gewesen war. Folglich war Martin bei seinen Abenteuern immer ‚safe‘ gewesen und hatte damit auch nicht riskiert, diese Krankheit an Thorsten weiterzugeben.
„Es tut mir leid. Aber du solltest und musstest das erfahren. Ich weiß, man soll nicht schlecht über die Toten reden, aber dein Lebensgefährte war ein notorischer Fremdgeher. Das verkompliziert die Lage. Wer weiß, ob er dem Mörder nicht schon einmal begegnet ist? Was wäre, wenn einer dabei war, der aus irgendeinem Grund durchgedreht ist und nun alle umbringt, mit denen er mal etwas hatte?“
Thorsten hörte auf, seine schmerzende Brust zu massieren und sah Enrique zweifelnd an. „Das klingt arg weit hergeholt.“
„Für mich nicht. Zuerst aber werde ich diesem einen Nutzer der Plattform auf den Zahn fühlen. Wenn der nicht als Täter infrage kommt, werde ich den Computer in Martins Firma etwas genauer unter die Lupe nehmen.“
Thorsten stimmte zu. Er hatte den Stein ins Rollen gebracht und nun keinen Grund, über die Erkenntnisse der Ermittlungen zu klagen, auch wenn sie ihm nicht gefielen.
***
Die Tür wurde nur wenige Augenblicke später, nachdem Joachim geklingelt hatte, vorsichtig geöffnet. Ein stämmiger Mann mit schütterem, leicht grau meliertem Haar lugte durch den Türspalt.
„Ja bitte?“, fragte er mit sonorer Stimme.
„Joachim Gruber, Kriminalpolizei Trier. Das ist mein Kollege Michael Huber“, stellte er sie beide vor und hielt seinen Dienstausweis hoch, „wir würden uns gerne mit Ihnen unterhalten.“
„Polizei? Was gibt es dieses Mal?“, murrte er und schob die Tür auf, sodass die Beamten eintreten konnten.
„Das fragen Sie allen Ernstes?“, erwiderte Joachim, während Michael hinter ihnen die Tür schloss.
Kurt Zimmermann führte die beiden durch den Flur, der von unzähligen Bildern geschmückt wurde. Goldrahmen mit christlichen Motiven, wohin das Auge auch blickte. Über dem Türsturz, der in das Wohnzimmer führte, hing ein Kreuz. Joachim kam sich vor, als wäre er in ein Museum geraten, welches die Geschichte der Kirche ausstellte. Kleine Figuren, Wandteller und gestickte Bildnisse, Kreuze in unzähligen Varianten mit und ohne die Jesusfigur, Kerzen und allerlei mehr. Neben einem ordentlich anmutenden Altar, der sich nahe dem Fester befand, stand ein kleiner Schreibtisch, der alles andere als aufgeräumt war. Papierberge stapelten sich neben einem Notebook, das ausgeschaltet war.
„Setzen Sie sich“, bot Zimmermann an, „und fragen Sie, was Sie möchten.“
Michael nahm auf dem in die Jahre gekommenen Sofa Platz, während Joachim es vorzog, stehen zu bleiben.
„Herr Zimmermann, wir ermitteln im Zusammenhang mit den Mordfällen in Trier. Sie loben auf Ihrer Internetseite die Morde. Das allein ist schon verwerflich. Nun stelle ich mir allerdings die Frage, in wieweit Sie in diese Mordserie involviert sein könnten.“
Der Befragte schnappte nach Luft wie ein Fisch an Land. „Ich … ich“, stotterte er, „ich kann doch keinem Geschöpf Gottes etwas zuleide tun!“
„Nun, von anderen Straftaten hält Sie diese Einstellung ja nicht ab, wie Sie mehrfach bewiesen haben. Vielleicht war Ihnen das Predigen nicht fruchtbar genug und Sie nahmen daher die Bestrafung der Sünder selbst in die Hand?“ Joachim blickte ihn forschend an, während Zimmermann zunehmend erbleichte und schließlich fast so weiß, wie sein Oberhemd wirkte.
„Jemandem das Leben zu nehmen ist eine Todsünde!“, erwiderte er gepresst.
„Nach Ihrer Auffassung ist Homosexualität ebenfalls eine“, warf Michael ein.
„Was erlauben Sie sich!?“ Zimmermanns Laune schlug erneut um. „Das ist nicht meine Auffassung, so steht es geschrieben. Ich sorge nur dafür, dass das Wort Gottes gehört wird.“
„Fragt sich nur, auf welche Weise“, hielt Joachim dagegen.
„Ich habe diese Männer nicht getötet. Derjenige, der es getan hat, ist ein ebensolcher Sünder, wie die Opfer selbst. Der Herr wird über sie richten!“
Michael verdrehte die Augen, was Joachim sofort mit einem scharfen Blick missbilligte.
„Nun, auch wenn Sie noch so oft Ihre Unschuld beteuern, Sie können sicher sein, dass wir Sie nicht aus den Augen lassen.“ Joachim war der Kerl nicht ganz geheuer. Scheinheilig war das Wort, was am ehesten zutreffend schien. Den Glauben vorzuschieben und diesen als Unschuldsbeweis zu nutzen, erschien ihm
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