Blut im Schnee
Verdacht, dass Zimmermann zum ‚Porta Rosa‘ wollte. Joachim schätzte, dass sein Kollege recht hatte. ‚Porta Rosa‘ nannte sich das Schwulen- und Lesbenzentrum in Trier, und Joachim fand das Wortspiel witzig und passend zugleich.
Sie blieben in Verbindung, während die Kollegen dem Verdächtigen nachschlichen. Joachim war drauf und dran, weitere Beamte hinzuschicken. Endlich mal eine heiße Spur! Doch er bremste sich – ein vorzeitiges Eingreifen würde rein gar nichts bringen. Ohne dass Zimmermann eine Straftat beging, hatten sie nichts gegen ihn in der Hand. Durch die Stadt zu marschieren, war schließlich kein Verbrechen.
Joachim lauschte den leisen Worten von Schardt, als Birgit ins Büro trat. Sie hielt ein paar Blatt Papier in der Hand – Listen, soweit er erkennen konnte.
„Störe ich?“, fragte sie dezent.
Er schüttelte verneinend den Kopf und deutete auf den freien Stuhl. Sie setzte sich ihm gegenüber und breitete die Bögen aus, die sie mitgebracht hatte. Joachim erkannte, dass es sich um Einzelverbindungsnachweise handelte, auf denen einige Zeilen mit dem Marker hervorgehoben waren. Seine Aufmerksamkeit wurde jedoch schlagartig auf seinen Gesprächspartner am Telefon gelenkt.
„Er geht jetzt langsam und kramt in der Sporttasche herum. Dabei sieht er sich ständig um. Wir sind in Deckung hinter einem geparkten Wagen – was tut der da?“ Stille folgte.
„Was ist bei euch los?“, drängte Joachim auf weitere Meldungen.
„Zimmermann – das ist nicht zu fassen! Er hat eine Spraydose und sprüht vor dem ‚Porta Rosa‘ etwas auf den Gehweg“, gab Schardt an.
„Worauf wartet ihr? Zugriff!“, befahl Joachim.
Es raschelte am anderen Ende, dann wurde das Gespräch unterbrochen. Joachim wandte sich an Birgit, die schweigend gewartet hatte.
„Was hast du rausgefunden?“
„Die markierten Rufnummern gehören zu verschiedenen Teilnehmern, die rund um Köln wohnen. Darunter ein Pater, der Anschluss eines Kinderheimes und Einzelpersonen.“
„Gleichst du die Namen bitte mit den Angestellten der Klinik ab, sobald du die Liste hast?“
„Natürlich. Ich soll dir auch noch von Matthias ausrichten, dass sie mit der Anzeigenrecherche durch sind – es gab keinerlei Auffälligkeiten mit einem Schlachter, Metzger, Ausbeiner oder Jäger.“
„Wäre wohl zu schön gewesen.“ Enttäuscht lehnte er sich zurück. So einen Fall hatte er all die Jahre nicht gehabt – es war zum Haare raufen! Sie kamen einfach nicht weiter. Sobald sie einer Spur folgten, verpuffte die im Nichts. Er fühlte sich ausgelaugt und antriebslos – körperlich wie geistig – doch eine Pause konnte er sich nicht leisten.
Eine halbe Stunde später brachten Schardt und sein Kollege den zeternden Zimmermann auf die Dienststelle. Er schimpfte etwas von Meinungsfreiheit und beschwerte sich über die Art und Weise, wie mit ihm umgegangen würde. Joachim warf einen Blick auf die festsitzenden Handschellen – sein Mitleid hielt sich in Grenzen.
„Nun Herr Zimmermann, es wird Zeit, dass wir uns erneut unterhalten“, sagte Joachim und führte den Mann in ein leeres Büro.
Kapitel 11
Thorsten wollte sich gerade eine weitere Zigarette anzünden, als es klingelte. Während er zur Tür ging, dachte er, wie schnell er wieder Geschmack daran gefunden hatte. Er rechnete fest damit, dass Kim vor dem Haus stand, doch dem war nicht so.
„Kommst du jetzt schon ohne Voranmeldung?“, begrüßte Thorsten Enrique, der ohne Jacke draußen stand.
„Ja, entschuldige. Ich dachte, du willst gleich informiert werden.“
Thorsten nickte und trat beiseite. „Komm rein, ehe du dir in der Kälte noch die Grippe holst.“
„Die kann ich mir nicht holen – höchstens einfangen“, berichtigte Enrique, während er rein kam.
„Ich weiß. Manchmal färbt die hiesige Ausdrucksweise auf mich ab. Hast du etwas Interessantes?“
„Neuigkeiten trifft es besser.“
„Kann ich dir was anbieten?“
„Nein, danke“, lehnte Enrique ab.
„Dann leg mal los“, forderte Thorsten, setzte sich und schob die Zigaretten beiseite.
Enrique nahm ihm gegenüber Platz. „Die Website war ein Fehlgriff, denn der Nutzer, den ich im Auge hatte, kommt nicht infrage.“
„Also gehst du jetzt Martins PC durch?“, schlussfolgerte Thorsten.
„Das habe ich vor. Morgen früh. Nun aber zu der Neuigkeit – die zumindest für mich eine ist. Denn dir dürfte ja bekannt sein, dass du verheiratet gewesen bist.“
Thorsten räusperte sich betreten.
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