Blut im Schnee
denken. Sein Blick streifte das im Nachtlicht kaum zu sehende Knäuel vor der Couch, und er dachte daran, dass die Katze nur deshalb hier drin war, weil Martin es nicht war. Er hatte Elli nicht gemocht – gar keine Katze. Martin hätte sie vermutlich verjagt, wäre er an Thorstens Stelle gewesen.
Seufzend setzte er sich auf. Ihm kamen Kims Worte wieder in den Sinn, mit der er am Vorabend noch telefoniert hatte. Das Telefonat hatte ihn aufgewühlt; er hätte es sich sparen können, denn es hatte ihn nicht weitergebracht. Nicht nur, dass sie ihm bezüglich der Beerdigung nicht weiterhelfen konnte, da sie sich mit Martin über dieses Thema nie unterhalten hatte, zu allem Überfluss gab sie Thorsten Ratschläge, die er lieber nicht hören wollte. Statt ihm zu helfen, das Wirrwarr seiner Gedanken zu entknoten, sorgte sie mit ihrer unverblümten Art dafür, dass er noch verunsicherter war, als vor dem Gespräch. Als er ihr eingestanden hatte, dass Enriques Geruch ihn magisch anzog, hatte sie nur seltsam gekichert. Nimm dir, was du begehrst – Martin hat nichts anderes getan!
Der Neugier nachzugeben und das Prickeln auszukosten, glich für Thorsten aber nach wie vor einem Verrat. Es fühlte sich an, als würde er die Liebe zu Martin mit Füßen treten, wenn er sich auf ein Abenteuer mit Enrique einließ, von dem er nicht wusste, wohin es führen würde. Allerdings musste er zugeben, dass sein Interesse an dem feurigen Ermittler stieg. Und das mit jeder Begegnung.
Hin- und hergerissen stand er resigniert auf, denn es erschien ihm sinnlos, sich gedanklich ständig im Kreis zu drehen. Er fand keine Antworten auf die Fragen, was falsch oder richtig war, ob es Verrat bedeutete oder ob er Martin noch den nötigen Respekt zollte, wenn er sich auf Enrique einließ. Er wusste nicht einmal genau, was er selbst wollte.
Da der Tag noch nicht angebrochen war, zumindest aus seiner Sicht, tappte er barfüßig ins Bad und ließ Wasser in die Wanne ein. Einen kalten Wintertag begann man am Besten mit einem Schaumbad – vielleicht entspannte das auch seine Gedanken.
***
Joachim glaubte am Ziel zu sein. Stundenlang hatte er alles unter die Lupe genommen und war schlussendlich fündig geworden. Einen der Anschlussinhaber, die Zimmermann angerufen hatte, konnte Joachim zuordnen. Stefan Jäckels, der als Zivildienstleistender in dem Kinderheim angestellt war, welches auch von Zimmermann kontaktiert wurde. Somit hatte Zimmermann sowohl die Arbeitsstelle als auch den Privatanschluss von Jäckels angerufen. Der Abgleich mit der internen Datenbank ergab, dass Jäckels bereits auffällig geworden war. Einmal wegen Drogenbesitz und ein anderes Mal wegen einer mutmaßlich sexuellen Belästigung eines zehnjährigen Jungen. Die Ermittlungen dazu liefen noch, weshalb Joachim bei der zuständigen Dienststelle angerufen hatte. Der Kollege gab bereitwillig Auskunft, und als Joachim den Namen Zimmermann erwähnte, wurde der Beamte am anderen Ende der Leitung hellhörig. Diesen Namen kannte er, denn Jäckels hatte ihn während der Vernehmung erwähnt. Verärgert hatte der sich beschwert, dass ein Irrer ihn bereits des Kindesmissbrauchs verdächtigt hätte und das alles nicht der Wahrheit entspräche. Als Sünder sei er beschimpft worden, weshalb der Kollege sich nach der Identität dieses ‚Irren‘ erkundigt hätte. So war eines zum anderen gekommen, die Vorwürfe gegen Jäckels schienen sich jedoch nicht zu bestätigen. Nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen wirkte es so, als sei der Mann tatsächlich unschuldig.
Für Joachim war das Auffälligste, dass Jäckels Meldeadresse sich mit der seiner Schwester deckte und die, das hatte Joachim später von Birgit erfahren, arbeitete in der Klinik. Auf den ersten Blick ergab das für Joachim keinen Sinn. Inzwischen war er überzeugt, dass Zimmermann Jäckels erpresst hatte, um an das Medikament zu kommen. Einen anderen Zusammenhang konnte Joachim sich nicht vorstellen. Es gab insgesamt vier Telefonate zwischen Zimmermann und Jäckels, alle unterschiedlicher Dauer. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete die Schwester von Jäckels noch in der Klinik. Im Herbst hatte Kathrin Jäckels, laut den Klinikunterlagen, gekündigt. Für Joachim stellte es sich so dar: Stefan Jäckels hatte seine Schwester bei der Arbeit besucht, stahl dabei das Medikament, um es anschließend an Zimmermann weiterzugeben – aus welchem Grund auch immer. Jäckels selbst kam als Täter nämlich nicht infrage, denn der durfte Köln
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