Blut klebt am Karlspreis
er.
,Wenn’s weiter nichts ist’, dachte ich mir schon wieder entspannt. „So aufschlussreich war das Gespräch mit den Hausbesetzern nun auch nicht“, tröstete ich ihn. „Das kann Ihnen allenfalls als Hintergrundwissen dienen. Da war nun wirklich nichts Sensationelles drin.“
„Davon spreche ich doch gar nicht“, fiel mir der Journalist ungehalten ins Wort. „Ich meine die Geschichte mit dem toten Niederländer.“
Fragend staunte ich den Schreiberling an. „Wieso?“ Was war schon Bedeutsames dran an einem abgestochenen Skin? „Die Polizei hat schnell seinen richtigen Wohnort ausfindig gemacht, nachdem seine Identität eindeutig feststand. Der Typ gehört zu den Ultrarechten“, erhielt ich zur Antwort.
Das war bedauerlich, aber ebenso wenig zu ändern wie sein gewaltsames Ableben. „Ja, und?“, fragte ich. Diese Informationen besaß ich längst, was ich aber für mich behielt.
Der AZ-Reporter sah mich über seine Pseudobrille hinweg mit scheinbar gelangweilter Miene an, als interessiere ihn nicht, was er mir sagte: „In seiner Wohnung in Kerkrade hat die Polizei eindeutige Hinweise gefunden, dass es bei der Verleihung des Karlspreises in diesem Jahr ein Attentat geben soll.“
„Ja, und?“, wiederholte ich mich.
Auch mit dieser Behauptung konnte er mich nicht sonderlich beunruhigen. Solche Attentatsdrohungen hatte es fast jedes Jahr gegeben, sie hatten sich Gott sei Dank stets in nichts aufgelöst. „Ich glaube, dieses Mal ist die Angelegenheit dramatischer“, widersprach mir der Journalist.
Den Hinweis auf das Attentat beim Karlspreisfest könne man einem Schreiben entnehmen, das in der Wohnung gefunden worden war. „Darin wird auf die Möglichkeit hingewiesen, internationale Beachtung zu finden, zumal man gemeinsame Sache mit anderen Vaterlandskämpfern mache“, zitierte der Schreiberling sinngemäß. „Da braut sich etwas zusammen.“
„Und Sie können nichts schreiben?“ Diese Auflage seines Informanten war wahrscheinlich der Grund für seine Niedergeschlagenheit, vermutete ich.
„So ist es. Ich habe die Information von einem Verwandten, der bei der Kripo arbeitet. Der ist reif für den Abflug, wenn ich etwas schreibe. Die Verbindung zwischen ihm und mir ist zu offensichtlich, zumal wir heute Nachmittag noch zusammen vom Polizeipräsidenten gesehen wurden.“
„Aber warum sagen Sie es denn mir? Wollen Sie etwa jedem, der Ihnen über den Weg läuft, unter vier Augen Ihr Wissen weitergeben mit der Bitte, gefälligst zu schweigen?“
Der AZ-Reporter blickte mich fest an, er hatte seine Brille abgenommen und kaute nervös an einem Bügel. „Es ist immer gut, einen Mitwisser zu haben, dem man vertrauen kann und der selbst neugierig ist, auf eigene Faust den Wahrheitsgehalt der Behauptung herauszufinden.“
Seine Auffassung schmeichele mir, sagte ich ihm. „Aber das kann ich nicht packen.“ Ich hätte genug mit meinen Mandanten zu tun, um mich noch zusätzlich um vermeintliche Attentate im Dunstkreis des Karlspreises zu kümmern. Ich schüttelte ablehnend den Kopf. „Lassen Sie das ruhig die Sorge der Polizei sein.“ Ich stand auf und verabschiedete mich. „Nehmen Sie sich ein Taxi, mein Freund. Das ist besser für Ihren Führerschein“, gab ich dem Journalisten als Empfehlung mit auf den Weg.
Ob da tatsächlich etwas dran war an dem vermeintlichen Attentat beim Karlspreis? Auch wenn ich so tat, als ginge mich das Thema nichts an, so ließ die Frage mir dennoch keine Ruhe.
Der Karlspreis sollte in diesem Jahr an den britischen Premierminister vergeben werden. Der Labour-Politiker hatte die Öffnung des Königreichs gen Europa intensiver als alle seine Vorgänger betrieben und somit die Idee des friedlichen Miteinanders im geeinten Europa realisiert. Für das Karlspreiskomitee hatte es keiner langen Beratung bedurft, um den Sozialisten als Träger des internationalen Karlspreises zu nominieren.
Wie ich aus der Presse wusste, war die Politik des Premierministers in Britannien bei den Rechten als Vaterlandsverrat bezeichnet worden. Auch die irisch-republikanische Armee sah in dem europafreundlichen Politiker jemanden, der durch seine Integrationsbemühungen das separatistische Treiben der IRA unterlief.
Ich versuchte, einen Zusammenhang herzustellen. Die deutschen Rechten würden sicherlich auch an ihren Vorteil glauben, wenn dem Premier im Zusammenhang mit der Preisverleihung im Krönungssaal des Rathauses etwas passieren würde. Gegen Europa, für Deutschland,
Weitere Kostenlose Bücher