Blut klebt am Karlspreis
können.“ Der Arzt schüttelte den Kopf. „So unbefriedigend, wie es sich vielleicht anhören mag, aber es ist das Beste für den Jungen, dass er tot ist. Der hätte kein lebenswertes Leben mehr gehabt.“
„Was sagt die Polizei?“ Ich war verwirrt. Aber der Arzt konnte mir nicht helfen. „Keine Ahnung.“
Ich betrachtete die kleine Frau, die mir auf der Liege noch kleiner vorkam. Ob sie mir später etwas sagen könnte, fragte ich den Arzt, doch er verneinte. „Wir werden sie zunächst einmal ruhig stellen. Schlaf ist für sie jetzt die beste Medizin. Am besten versuchen Sie Ihr Glück direkt bei der Polizei.“
„Kannst du mich nach Bardenberg fahren?“, bat ich Sabine, die in der Cafeteria gewartet hatte. Sie hatte keine große Lust verspürt, mit mir durch das Klinikum zu laufen. Sie blieb still, als ich ihr von Loogens Sterben berichtete und sie blieb auch still, als wir uns zu der Wohnung an der Grindelstraße aufmachten. Die Adresse hatte sie sich per Telefon von Jerusalem aus der Akte in der Kanzlei geben lassen, derweil ich verunsichert zu ihrem Polo humpelte.
Erschüttert schwiegen wir vor uns hin, als wir uns durch den dichten Straßenverkehr zwängten. Schließlich schaltete Sabine das Autoradio an, um die nervende Stille zwischen uns zu übertönen. Sie hatte gerade eine Nachrichtensendung erwischt, die im Wesentlichen aus einer Nachricht bestand: Auf das britische Honorarkonsulat in Düsseldorf war am Mittag ein Attentat verübt worden. Unbekannte hatten einen Molotowcocktail durch das Fenster in einen Büroraum geschleudert. Papiere und Mobiliar hatten sofort Feuer gefangen, die Mitarbeiter konnten sich unverletzt retten. Der Brand hatte rasch gelöscht werden können.
Schon wenige Minuten nach dem Brandanschlag war bei der Landesredaktion der Deutschen Presseagentur in Düsseldorf ein Bekennerbrief gefunden worden, in dem selbst ernannte Sympathisanten der IRA die Verantwortung für die Tat übernahmen. Drohend verkündeten sie, dass dieser Anschlag nicht ihre letzte Aktion gewesen sei.
,Ein Unglück kommt selten allein’, dachte ich mir zornig. Ich hatte das Kinn auf der Hand abgestützt und stierte nachdenklich durch die Windschutzscheibe. Einen Zusammenhang zwischen dem gewaltsamen Tod von Franz Loogen und dem Anschlag in Düsseldorf herzustellen, erschien mir zwar abwegig, aber ich wollte ihn nicht grundsätzlich von vornherein ausschließen. Mir stellten sich andere Fragen, die mir hoffentlich bei unserer Ankunft in Bardenberg beantwortet werden konnten.
Wieder kam ich etwas zu spät. Als Sabine den Wagen auf dem Parkstreifen gegenüber der Kirche parkte, verließen die Ermittlungsbeamten gerade das Haus. Sie hätten die Wohnungstür versiegelt und verspürten wenig Lust, meinetwegen die Türe wieder zu öffnen, machten sie mir deutlich, als ich sie ansprach. „Sie finden ohnehin nichts mehr da oben vor außer einer eingetrockneten Blutlache und diversen Kreidestrichen, Herr Grundler“, erklärte mir ein Beamter. „Hier ist die Arbeit getan, den überwiegenden Rest müssen wir im Präsidium und in den Labors erledigen.“
Vielleicht könne er mir wenigstens sagen, was überhaupt passiert sei, bat ich den Mann, der aber ablehnte. „Hier stehen zu viele Mithörer herum“, meinte er mit einem Blick in die Reihen der Schaulustigen. „Wer weiß, was morgen alles erzählt wird und in der Presse steht.“ Ich könne ins Polizeipräsidium kommen, bot er mir an. „Da gibt es in einer Stunde eine Pressekonferenz meines Chefs. Wenn für Sie dann noch Fragen offen bleiben, können wir sie danach klären. Einverstanden?“ Ohne auf meine Antwort zu warten, stiefelte er zu seinem Dienstwagen.
Meinen Versuch, bei den Neugierigen im Hausflur oder von den Gaffern auf dem Gehweg verwertbare Informationen zu erhalten, konnte ich schnell abhaken. Vom explodierenden Gameboy bis zur Handgranate reichte das Spektrum der Knallkörper, vom abgerissenen Kopf bis zur leichten Platzwunde das Ausmaß der Verletzung. Mancher vermeintliche Zeuge wusste zu berichten, dass Franz Loogen alleine in der Wohnung war, als das Unglück geschah, andere wollten jeden Eid schwören, dass nach dem infernalischen Knall wahrscheinlich drei, aber mindestens zwei vermummte Gestalten fluchtartig das Haus verlassen hätten.
Da schien mir die Pressekonferenz bei der Kriminalpolizei der bessere Weg zu verlässlichen Informationen. Ich nahm mir vor, die feigen Mörder von Franz Loogen zu finden. Ich sah es
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