Blut klebt am Karlspreis
als meine Pflicht an, als einen letzten Dienst, den ich dem armen Kerl erweisen konnte. Der hinterhältige Anschlag auf einen unbedarften Jungen, der zu Unrecht des Mordes bezichtigt worden war, machte mich wütend. Dafür sollten seine Mörder büßen, schwor ich mir.
Sabine zögertenicht. Kurz entschlossen steuerte sie von Bardenberg zur Soers. In einem Versammlungsraum im Polizeipräsidium saßen schon etliche Journalisten, die erstaunt aufschauten, als die blonde Schönheit mit einem an Krücken gefesselten Kerl eintrat. Ich hatte mich längst daran gewöhnt, dass die meisten Männer sofort in die Rolle eines Gockels verfielen, wenn sie Sabine erblickten. Dafür hatte ich nicht einmal mehr ein müdes Lächeln, geschweige denn einen Funken Eifersucht übrig.
Der AZ-Reporter staunte mich an und wechselte an meine Seite, nachdem ich mich gesetzt hatte. „Wieso sind Sie hier, Herr Grundler?“ Ich sei doch kein Journalist und außerdem krank, sagte er fast vorwurfsvoll.
Ob es nicht vielmehr so sei, dass man krank sein musste, um Journalist zu sein, lag mir als böse Bemerkung auf der Zunge. Aber ich hielt mich vornehm zurück. „Wenn Sie wissen, worüber die Polizei Sie informieren will, dann werden Sie schnell erkennen, warum ich hier bin“, antwortete ich. „Welches Thema hat man Ihnen überhaupt angekündigt?“
Der Schreiberling lächelte schwach und kaute am Bügel seiner zu kleinen Intellektuellenbrille. „Es soll sich um einen mysteriösen Todesfall in Bardenberg handeln. Mehr wurde uns offiziell nicht mitgeteilt.“
„Aber Sie wissen mehr?“
Der AZ-Reporter hielt sich bedeckt. „Vielleicht. Das kann ich Ihnen nach der Plauderstunde sagen“, antwortete er. Er blickte zur Eingangstür, in der drei Männer erschienen, offensichtlich Beamte der Kriminalpolizei, die am Kopfende der Tischreihe Platz nahmen.
Den nur zum Teil auskunftsfreudigen Mann aus Bardenberg erkannte ich wieder, seine beiden Begleiter hingegen waren mir fremd.
„Das sind die Herren Scholz und Steiner von der Mordkommission“, klärte mich der AZ-Freund bereitwillig auf. „Dann scheint das ja doch eine größere Sache zu werden“, vermutete er und griff zu Kugelschreiber und Block.
Scholz räusperte sich kurz und verschaffte sich damit die gewünschte Aufmerksamkeit. „In einer Wohnung in Bardenberg haben wir heute kurz vor Mittag einen siebzehnjährigen Jugendlichen schwer verletzt aufgefunden. Der Verletzte wurde ins Klinikum verbracht, wo er trotz aller ärztlichen Bemühungen im Laufe des Nachmittags verstarb.“ Der Kommissar sah in die Runde der Journalisten, die die Informationen notierten und wartete, bis sie ihm wieder alle zuhörten. „Wir haben Grund zu der Annahme, dass der Jugendliche Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. Wir gehen von einem vorsätzlichen Tötungsdelikt, Mord oder Totschlag, aus.“
Ein Raunen ging durch den Raum, der AZ-Reporter sah mich nachdenklich an.
„Wahrscheinlich wurde der Jugendliche von einem Explosionskörper, der in seinen Händen hochging, verletzt und schließlich getötet“, fuhr Scholz fort. „Wir vermuten, dass es sich um eine Briefbombe gehandelt hat. Nähere Angaben dazu sind allerdings erst nach der Laboruntersuchung der Fundstücke und der Obduktion des Opfers möglich.“
Der Kommissar hatte seinen Vortrag kaum beendet, da schossen auch schon aus allen Ecken des Raumes die Fragen auf ihn zu.
Unmittelbare Tatzeugen gab es keine, antwortete er, Tatverdächtige sind nicht gesehen worden, die Mutter hatte nach der Rückkehr von ihrer Arbeit den Jungen gefunden. Den Namen wollte Scholz aus Pietätsgründen nicht nennen.
Der AZ-Reporter meldete sich zu Wort und sofort verstummten alle Gespräche.
Offenbar, so stellte ich erstaunt fest, genoss er in diesem Kreis gehörigen Respekt.
„Auch wenn Sie aus verständlichen Gründen den Namen des Opfers nicht nennen wollen, so können wir doch davon ausgehen, dass es sich bei dem Jugendlichen um denjenigen handelt, den die Polizei erst vor wenigen Tagen an der deutsch-niederländischen Grenze festgenommen und in Untersuchungshaft gesteckt hat?“
„So ist es“, lautete die knappe Antwort des Kommissars, mit der sich der Schreiberling zufrieden gab.
Ich war froh, dass er nicht die nächste, auf der Hand liegende Frage, stellte.
„Ich bin doch nicht blöd. Diese Frage stelle ich später unter vier Augen“, flüsterte er mir leise auf meinen Einwand zu. „Da kann ich ja allen Kollegen gleich den
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