Blut klebt am Karlspreis
Artikel schreiben.“ Außerdem dürfe man nicht seine Munition mit einem Mal verschießen. „Für heute habe ich genug.“ Er betrachtete mich. „Was macht eigentlich die Mutter von Franz Loogen?“
„Keine Ahnung“, antwortete ich. „Wissen Sie, wo ich sie finde?“
„Wenn ich das wüsste, hätte ich Sie garantiert nicht gefragt“, knurrte der Journalist zurück.
„Wissen Sie denn wenigstens etwas über ein IRA-Attentat in Düsseldorf?“ Die Gelegenheit schien mir geeignet, den Schreiberling auf ein anderes Thema zu lenken. „Sehen Sie darin etwa wieder eine Verbindung zur Verleihung des Karlspreises?“
Der Reporter sah mich irritiert an. Vielleicht glaubte er, ich wollte ihn hänseln. Vielleicht nahm er aber auch an, ich würde inzwischen seine Vermutung teilen. „Keine Ahnung“, gab er mir als Retourkutsche zurück. „Ich kenne bisher nur die Agenturmeldung und habe keine Zeit, mich darum zu kümmern. Loogens gewaltsamer Tod steht unseren Lesern wesentlich näher als ein harmloser Brandanschlag in der fernen Landeshauptstadt.“
Ich war überrascht, wie schnell die Pressekonferenz vorbei und die Medienvertreter verschwunden waren. „Die Journalisten müssen halt wieder zurück in die Stadt, die haben’s immer eilig“, klärte mich der Kripobeamte auf, den ich in Bardenberg angesprochen hatte. Er schmunzelte. „Das ist auch ein Grund, warum wir die Pressekonferenzen möglichst spät am Tag kurz vor Dienstschluss machen. Dann bleiben unseren Freunden von der schreibenden und sprechenden Zunft nicht mehr viele Möglichkeiten zur Recherche.“
Ob ich mit der Information zufrieden sei, fragte er mich. „Ja und nein“, bekannte ich. „Als feststehende Tatsache gibt es nur eine Explosion und den Tod des Jungen.“
„Und das Objekt“, fiel mir der Beamte ins Wort. „Es ist ziemlich sicher, dass es sich um eine Briefbombe gehandelt haben muss. Nach unserer Rekonstruktion ist der Junge nach Hause gekommen, hat den Briefkasten im Hausflur geleert und sich mit der Post an den Küchentisch gesetzt. Wahrscheinlich hat er den an ihn adressierten Brief öffnen wollen und…“, er schwieg betreten. Mehr aus Verlegenheit fuhr er fort. „Die restliche Post ist durch die Küche geflogen.“ Der Junge habe schrecklich ausgesehen. „Es ist besser für ihn, dass er nicht weiterleben muss“, meinte der Polizist.
„Was ich vermisse, das ist der Hintergrund, ein Motiv. Haben Sie dafür irgendwelche Anhaltspunkte?“
Der Kriminalbeamte schüttelte bedauernd den Kopf. „Am Tatort haben wir zwar prüfbares Material gefunden, aber nichts, das auf ein Motiv hindeutet.“ Aus angesengten Briefumschlägen oder Papierschnipseln ließe sich schlecht ein Motiv ableiten. ,Warum eigentlich nicht?’, fragte ich mich, aber ich konnte mir keine Antwort geben.
Sabine drängte zum Aufbruch. Ich hätte zwar gerne noch bei Böhnke vorbeigeschaut, doch fand ich für meinen Wunsch keine Zustimmung. „Ich bin die Chauffeuse und bestimme die Abfahrtszeit“, sagte meine Sekretärin energisch. Außerdem warte im Büro noch Arbeit auf sie. „Ein Referendar hat mir heute wieder viel zu viele Briefe in den Stenoblock diktiert, die ich alle noch schreiben muss“, stöhnte sie.
„Darf denn der Referendar zuschauen, wenn du arbeitest?“, fragte ich bescheiden und kassierte als Antwort einen kräftigen Stoß in die Rippen.
Entgegenkommend, wie meine charmante Sekretärin nun einmal ist, fuhr sie auf dem Rückweg zur Theaterstraße auf mein Bitten die Monheimsallee entlang. Im besetzten Haus schien es friedlich zu sein. Es war ruhig auf der Straße. Allenfalls der hellblaue Bulli mit der Aufschrift einer Baufirma aus Gerolstein, der in der Nähe geparkt war, trübte die Aachener Harmonie.
Der offizielle Status, arbeitsunfähig zu sein, hatte einen unschätzbaren Vorteil. Mein Chef konnte mir nicht verbieten, während der Arbeitszeit das Weite zu suchen, was ich allerdings auch ohne gelben Urlaubsschein trotz Verbot gemacht hätte. So ließ ich mich von Sabine ins Klinikum bringen, nachdem mir Maritta Loogen am Telefon erklärt hatte, ich könne sie gerne besuchen.
„Die Kripo war auch schon hier“, berichtete sie mir, als ich an ihrem Bett saß. „Von der Zeitung wollte mich auch einer sprechen, aber den habe ich abgewimmelt. Er wollte alles das wissen, was die Polizei mich schon gefragt hatte.“ Loogens Mutter machte auf mich einen ausgeruhten und entspannten Eindruck. Anscheinend hatten die Ärzte sie mit
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