Blut klebt am Karlspreis
fragte ich argwöhnisch.
Ich traute meinem besten Freund ein derartiges Vorschieben von Sabine durchaus zu. Wir hatten uns unlängst einmal über die Fassadengestaltung eines unserer Altbauten gestritten. Er hatte sich durchgesetzt, weil er halt der Chef und Hauptfinanzier ist, und auf Putz anstelle von Glas beharrte. „Dieter hat damit überhaupt nichts zu tun. Ich bin Frau genug, um eine eigene Ansicht zu haben“, sagte Sabine schnippisch, „auch wenn du alter Macho das nicht einsehen willst.“
Ich schwieg, weil ich wusste, was kommen würde, wenn ich konterte. „Das ist typisch für dich, du musst immer das letzte Wort haben“, würde Sabine mit absoluter Sicherheit sagen.
Also schwieg ich lieber von vornherein und machte mir stattdessen meine Gedanken über das verbarrikadierte Haus und die entschlossenen Studenten.
Brandstifter
Meinen Vorsatz, mich in den eigenen vier Wänden auszukurieren, hielt ich nicht lange durch. Ob ich nun daheim herumhumpelte und lustlos an meinem Schreibtisch werkelte oder in der Kanzlei meine Umgebung nervte, machte für mich keinen allzu großen Unterschied; jedenfalls redete ich es mir in meiner Langeweile ein.
„Du hast bloß Angst, irgendetwas zu verpassen“, lästerte hingegen Dieter, als ich im Büro auftauchte. „Du glaubst wohl, ohne dich ginge das Leben hier nicht weiter.“
Ich ließ meinen Freund dumm schwätzen, weil ich wusste, dass er insgeheim froh war, mich in seiner Nähe zu haben. Meinem engagierten, aber unerfahrenen Nachfolger waren einige kleine Fehler unterlaufen, die ich rechtzeitig ausbügeln konnte, ohne dass uns ein nennenswerter Schaden entstanden wäre. „Ich kann viel von Ihnen lernen, Herr Grundler“, sagte Jerusalem durchaus dankbar und wissbegierig.
In einer kniffligen Rechtsfrage hatte mich Dieter um Rat gebeten und so hatte ich ausreichend zu tun, um die Zeit sinnvoll auszunutzen. Ich hatte mir lediglich ausbedungen, von Telefonanrufen verschont zu bleiben; immerhin war ich offiziell krank geschrieben.
Die Konsequenz, mit der unser Rezeptionsdrachen Fräulein Schmitz und meine Sekretärin Sabine die Anrufer abwiesen, war schon übertrieben. Ich empfand es beinahe als Schikane, dass der Apparat vor mir die ganze Zeit über stumm blieb. Umso mehr zuckte ich zusammen, als er sich plötzlich doch meldete.
Sabine konnte nicht anders. „Da ist eine in Tränen aufgelöste Frau Loogen in der Leitung. Es muss etwas Schlimmes mit ihrem Sohn passiert sein.“
„Ist er etwa wieder verhaftet worden?“
„Ich weiß es nicht. Sie hat mir nichts gesagt. Sie will nur mit dir sprechen. Die Frau ist am Ende, Tobias.“
Vorsichtig meldete ich mich, nachdem mir Sabine das Gespräch übergeben hatte und erschrak, als ich Loogens Mutter laut schluchzen hörte. „Was ist mit Franz?“, fragte ich sie besorgt.
Ich wollte im ersten Moment meinen Ohren nicht trauen, als die Frau mit weinerlicher Stimme mühsam herausbrachte: „Franz liegt im Sterben. Die Ärzte haben keine Hoffnung mehr.“
Das war kein Gespräch fürs Telefon, entschied ich und erkundigte mich bei der Frau, wo ich sie finden könnte.
Eine Minute später saß ich schon in Sabines Polo und ließ mich zum Klinikum bringen.
Maritta Loogen hockte erschöpft auf einem Stuhl vor einem verschlossenen Operationstrakt, den ich nach mehrmaligem Fragen endlich gefunden hatte. Sie blickte nur kurz auf, als sie mich auf sich zu humpeln sah. Ich legte ihr die Hand auf die Schulter. Die Frau weinte nicht mehr. „Sie kommen zu spät, Herr Grundler, Franz ist vor fünf Minuten gestorben.“ Maritta Loogen erhob sich mühsam, schlurfte langsam in Richtung Fahrstuhl und brach zusammen.
Ein von mir aus dem OP-Bereich alarmierter Pfleger und ein Arzt packten die zierliche Person und legten sie auf eine schmale Liege. „Die kommt bald wieder“, sagte der Mediziner nach einer kurzen Untersuchung, „das war auch verdammt viel für sie.“
„Was ist denn überhaupt passiert?“, fragte ich ungeduldig.
Der Arzt zögerte mit einer Antwort, berichtete mir aber, nachdem ich mich als Rechtsbeistand der Loogens zu erkennen gegeben hatte. „Als Frau Loogen heute Mittag nach Hause kam, fand sie ihren Sohn blutüberströmt und leblos in der Küche auf dem Boden liegen. Sein Gesicht war nahezu zerfetzt, beide Hände waren von den Armen abgerissen. Es hat den Anschein, als sei etwas in seiner unmittelbaren Nähe explodiert. Wir haben hier nichts mehr für ihn tun
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