Blut klebt am Karlspreis
Woche das Examen in der Tasche und dann geht’s mit dem Flieger über den großen Teich.“ Müller machte einen zufriedenen Eindruck. „Von Maastricht nach Amsterdam und weiter nach New York.“
Ich wünschte ihm viel Glück bei seinem beruflichen Werdegang, als ich mich an der Haustür verabschiedete.
Kaum hatte ich die Tür zu meiner Wohnung geöffnet, da klingelte auch schon das Telefon.
„Wo bleibst du?“, wollte Sabine von mir wissen. „Brandmann ist hier und wartet auf dich.“
„Was will er?“
„Er will das Haus räumen lassen, was denn sonst?“ Es sei wohl angebracht, wenn ich noch einmal in die Kanzlei käme, meinte meine Sekretärin. Sie wollte ein Taxi ordern, das mich in zehn Minuten abholen sollte.
Brandmann hockte geduldig im Wartezimmer, als ich ankam und las in einem Aachener Krimi. „Ich wusste gar nicht, dass es so viel kriminelle Energie in der Euregio gibt“, meinte er zur Begrüßung, während er mich in mein Büro begleitete, wo er unaufgefordert vor meinem Schreibtisch Platz nahm. „Aber wir wollen ja dazu beitragen, dass diese Energie weniger wird. Nicht wahr, Herr Grundler?“
„Kein Problem“, antwortete ich nüchtern. „Wir brauchen nur die Polizei zu alarmieren und sie räumt Ihr Haus. Wann solFs denn geschehen?“
„So schnell wie möglich.“ Brandmann drängte zur Eile. „Nächsten Montag sollen die ersten Vorarbeiten beginnen.“ Ob ich das vergessen hätte, fragte er mich. „Die Studenten müssen raus, entweder noch heute Abend oder morgen früh.“
Bei den lauen Maitemperaturen würden die Studenten garantiert nicht erfrieren. „Veranlassen Sie bitte unverzüglich die Räumung, Herr Grundler!“ Brandmann erhob sich und reichte mir die Hand. „Ich bin nur auf der Durchreise und fahre jetzt zurück nach Gerolstein. Dort können Sie mir morgen Mittag Vollzug melden.“
Ich war überrascht, wie schnell die Räumungsaktion organisiert war. Um fünf Uhr wollte die Polizei die Studenten aus dem Haus treiben. Das sei mit zwanzig Leuten leicht zu schaffen, behauptete der Einsatzleiter, der vom Polizeipräsidenten beauftragt worden war, zuversichtlich. Die gerichtliche Verfügung war bei der Polizei längst bekannt. „Wir warten schon seit Tagen auf unseren Einsatz. Wenn Sie noch lange gewartet hätten, wäre es zeitlich etwas eng geworden. In der nächsten Woche sind wir nämlich wegen des Karlspreisfestes zeitlich bis zum Stehkragen voll gepackt. Morgen ist zunächst der letzte Zeitpunkt. Sonst hätten Sie bis übernächste Woche warten müssen.“ Ich solle mir keine Sorgen machen, am Mittag sei das Haus garantiert leer.
Nur ungern ließ sich Sabine überreden, den Radiowecker auf vier Uhr einzustellen. „Immer, wenn’s am Schönsten ist, willst du gehen“, schmollte sie, als wir uns schlafen legten.
Einige Minuten vor dem angegebenen Räumungszeitpunkt kamen wir an der Monheimsallee an. Wir waren beileibe nicht allein auf weiter Flur. In der Nähe des Hauses hatten sich mehrere Kamerateams postiert, auch fehlte der AZ-Reporter nicht. „Woher wissen die Journalisten bloß von dem Termin?“, fragte mich Sabine, als wir neben dem Schreiberling standen. „Das liegt doch auf der Hand“, antwortete er an meiner Stelle. „Die Studenten haben eine Kopie des Räumungsbescheids verteilt. Wer eins und eins zusammenzählen kann, der kann sich auch ausrechnen, dass heute der letzte Termin ist.“ Er lächelte Sabine gewinnend an. „Dazu kommt noch, dass seit gestern Abend ein reger Funkverkehr zwischen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten wegen dieser Räumung herrscht. Kurzum: Alle wissen Bescheid. Wir, die Studenten und unsere Freunde ganz in Grün.“ Er deutete zur Monheimsallee hinauf, auf der zwei grüne Omnibusse angefahren kamen. Ihnen folgten ein Kleintransporter, ein Einsatzwagen der Feuerwehr und ein Krankenwagen.
„Jetzt geht’s los.“ Zufrieden rieb der Reporter sich die Hände. „Das gibt bestimmt eine tolle Story.“
Die Polizisten ließen es gemächlich angehen, als wollten sie den Schlaf der Bürger nicht ungebührlich stören. Gelassen stiegen sie aus den Bussen, zurrten ihre Helme fest und überprüften den Sitz von Gummiknüppeln und Handschellen. Es hatte den Anschein, als rechneten sie nicht mit allzu großem Widerstand.
Ich musste schmunzeln, als einer der Beamten versuchte, die schwere Eingangstür des besetzten Hauses zu öffnen. So leicht hatten es die Studenten der Ordnungsmacht nun doch nicht
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