Blut klebt am Karlspreis
gewürdigt und das umfangreiche Rahmenprogramm rund um den Festakt für die Bevölkerung detailliert vorgestellt. „Das ist kein Fest für wenige geladene Gäste, das ist das Fest aller Aachener“, hatte er gesagt. Die Bürger der Stadt sollen den britischen Premierminister, aber auch seine Vorgänger und die vielen Gäste aus aller Welt, die zur Verleihung kämen, freundlich aufnehmen und mit ihnen feiern. Stolz war der Oberbürgermeister darauf, dass für die Bundesrepublik die beiden höchsten Repräsentanten, der Bundespräsident und der Bundeskanzler, an der Feier teilnehmen würden.
Es hätten sich viele Regierungschefs aus Europa angekündigt und viel Prominenz. Auch lägen die Akkreditierungen von zahlreichen Pressevertretern aus dem In- und Ausland vor. Konkrete Teilnehmerzahlen wollte der Oberbürgermeister nicht nennen, bei den Namen hielt er sich geflissentlich zurück. Die Besucher der Stadt würden sich im Verlaufe des Mittwochs im Quellenhof einfinden, am Abend gebe es im Eurogress den großen Empfang der Stadt Aachen, verkündete er, nach dem Gottesdienst im Dom an Christi Himmelfahrt fände der Festakt im Krönungssaal des Rathauses statt. Selbstverständlich würden die Freunde der Stadt zu Fuß den kurzen Weg vom Dom zum Rathaus zurücklegen. „Wir suchen alle den Kontakt und das Gespräch mit der Bevölkerung“, sagte der Erste Bürger, „auf dem Markt wird ausreichend Platz für die Öcher sein.“ Er sei überzeugt, dass seine Aachener in großer Zahl mitfeiern würden, „wie immer.“
Als leidiges, wenn auch nicht unwesentliches Thema erachtete der Oberbürgermeister die Sicherheitsvorkehrungen für das Fest. „Es gibt überall Chaoten, dagegen sind wir leider nicht gefeit.“ Aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein Chaot das Fest als Bühne für seine Zwecke missbraucht, sei sehr gering. „In den vielen Jahren der Karlspreisverleihung hat es niemals bemerkenswerte Ausfälle gegeben und es wird sie auch dieses Jahr nicht gegeben.“ Mit gelegentlichen Demonstrationen und Protestaktionen am Rande könne man gut leben. „Sie gehören zu einer guten Demokratie dazu. Die Demonstranten sind nicht die gewalttätigen Krawallmacher, die ich meine.“ Die tumben Eierwerfer und Tomatenschmeißer würden nur einem nützen: dem Verkäufer der Lebensmittel. „Aber auch das sind nicht die von mir angesprochenen Chaoten.“
Für Verunsicherung sorgte bei mir ein zweiter Artikel in der AZ: „Droht ein Attentat?“, hatte der Autor getitelt. Es gebe Indizien dafür, dass Unbekannte beim Karlspreisfest ein Attentat planten, stand geschrieben. Die Polizei hätte Hinweise auf eine rechtsradikale Gruppe, die die Karlspreisverleihung stören und für ihre Zwecke missbrauchen wollte.
Im Polizeipräsidium nähme man diese Hinweise äußerst ernst, das eigens für das Fest eingerichtete Sonderkommando unter der Leitung eines erfahrenen Kommissars sei verstärkt worden, der Bundesgrenzschutz stehe in Alarmbereitschaft.
„So ein Blödsinn“, schnaubte Böhnke, den ich am Telefon mit dem Artikel konfrontierte. „Der Autor vermischt altbewährte Vorgehensweisen mit unbegründeten Verdachtsmomenten. Der BGS ist immer beim Karlspreis in Aachen zugegen. Der schützt die Noch-Bonner und Schon-Berliner Politiker. Alleine würden wir mit unserem Personal den Personenschutz und die Kontrollaufgaben gar nicht schaffen.“ Es stimme allerdings, so räumte Böhnke ein, dass ihm der Polizeipräsident zwei Helfer zur Seite gestellt habe, die ihn bei der Einsatzleitung unterstützen sollen. „Mein Chef ist zwar überzeugt, dass ich mit meiner Besorgnis gewaltig übertreibe, aber auch er will auf Nummer sicher gehen.“
„Wie kommt die Zeitung bloß an die Informationen?“ Mich hatte erstaunt, dass der Bericht mit einem mir nicht bekannten Kürzel versehen war.
Üblicherweise ließ sich mein AZ-Freund die gesellschaftlichen Großereignisse nicht aus der Hand nehmen. Er hatte auch den Bericht über die Pressekonferenz des Oberbürgermeisters verfasst.
„Woher soll ich das wissen?“ Böhnke gab sich gelassen. „Aber es ist mir auch schnurzpiepegal. Vielleicht hat die Veröffentlichung sogar noch einen Vorteil für uns. Sie macht die Öffentlichkeit aufmerksam und schreckt dadurch potenzielle Störenfriede ab.“ Er glaube nicht daran, dass durch die Berichterstattung schlafende Hunde geweckt würden. „Dazu sind die Öcher viel zu brav.“
Mir war eine Vermutung in den Sinn gekommen und ich bat Böhnke
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