Blut klebt am Karlspreis
von Sabine aus den Federn scheuchen. „Schlafmützen können wir uns in Deutschland nicht leisten“, lästerte sie. „Wenn du schon auf Kosten deines Chefs Urlaub machst, kannst du dich wenigstens für die Allgemeinheit nützlich machen“, fuhr sie fort, bevor sie nach dem Frühstück in den Polo hüpfte.
Ich zog es vor, zu schweigen, sah dem Wagen nach und wartete auf Böhnke.
Pünktlich fuhr er vor. Er machte einen zufriedeneren und ausgeglicheneren Eindruck als am Vorabend. Manchmal sei es ganz gut, abzuschalten, bemerkte er mit einem leichten Grinsen. Ich sehe nicht mehr so angespannt aus, meine Freundin täte mir augenscheinlich gut.
Im Büro orderte der Kommissar zunächst Kaffee und blätterte durch die Notizzettel, die ihm auf den Schreibtisch gelegt worden waren. „Ich habe es mir fast gedacht“, sagte er nach dem Lesen, „Jerusalem hat Sie hereingelegt. Seine Mutter ist schon vor Monaten in Winterberg gestorben. Er hat ihr Haus verkauft und das Geld auf ein Konto in Aachen überweisen lassen. Von dort hat er es abgehoben.“ Er schüttelte den Kopf und bat seine Assistenten zu uns.
Sie hatten die Zeitungen mitgebracht, in dem die Fahndungsaufrufe nach Müller und Jerusalem veröffentlicht waren. „Wollen Sie den Karlspreis schänden?“, hieß eine Überschrift, „Terror vor dem Karlsfest“ eine andere. Durchweg wurde in der Presse deutlich, dass niemand ernsthaft mit dem Gedanken spielte, das Verleihungszeremoniell abzusagen. Das Attentatsgerücht solle man zwar ernst nehmen, aber nicht überbewerten.
„Bei uns sind alle in besten Händen“, wurde der Polizeipräsident viel sagend zitiert.
Unwillkürlich musste ich an meinen AZ-Reporter denken, der mich wahrscheinlich schon sehnlichst vermisste. Seine Informationsquellen waren anscheinend verstopft. Mit mir konnte er nicht rechnen, sein Verwandter von der Kripo tat gut daran, tunlichst stillzuhalten. Das galt weniger, um die Quelle zu versiegen, als vielmehr, um unsere Arbeit nicht zu gefährden. Der Beamte wusste wohl selbst, was auf dem Spiel stand. Nach Christi Himmelfahrt konnte er meinetwegen erzählen, was er wollte.
„Wie sieht’s aus?“, fragte Böhnke.
„Die Fahndung läuft und ist inzwischen nicht nur in Stadt und Kreis Aachen im Gange, sondern auch in den Kreisen Schleiden, Düren und Heinsberg“, bekam er zur Antwort. „Aber leider war sie bisher erfolglos.“
Und sie würde es auch bleiben, vermutete ich. „Wir unterlaufen unsere eigenen Fahndungsbemühungen zwangsläufig dadurch, dass wir uns auf Christi Himmelfahrt vorbereiten müssen“, erläuterte der Polizist. „Wir können uns alle nicht zweiteilen und nicht länger als vierundzwanzig Stunden am Tag arbeiten.“
Diese Erkenntnis brachte uns nicht weiter. Mehr erhoffte ich mir von dem Ergebnis der Experten über den Mord von Huppenbroich.
Mit nur kurzer Verspätung brachte ein Polizist die gewünschten Berichte vorbei. Böhnkes Assistenten schienen erstaunt, als er mir eines der Exemplare gab. „Der gehört bis morgen zu unserem Stab“, sagte der Kommissar, „er bekommt von uns alle Informationen, die wir besitzen.“
Die Assistenten verzogen ihre Gesichter zu grinsenden Grimassen, als behagte es ihnen überhaupt nicht, dass sich ein Privatmensch in ihren Gefilden aufhielt und dann nicht als Tatverdächtiger, sondern als gleichberechtigter Ermittler. Ihre Distanziertheit wich erst, als der Polizeipräsident ins Zimmer kam und freudestrahlend auf mich zustürzte, bevor er Böhnke und die beiden begrüßte.
Mit kurzen Sätzen klärte ihn Böhnke über die Geschehnisse von gestern auf. „Vermutlich hat Müller auch dabei die Finger im Spiel.“ Hinweise dafür gebe es zwar nicht in den Berichten des Mediziners und des Brandexperten, räumte der Kommissar ein, aber es würde in den Zusammenhang passen. „Oder?“ Er sah mich fragend an und ich stimmte nickend zu. Der Kommissar hatte mich unbeabsichtigt auf ein Versäumnis hingewiesen. ,Ich wollte doch gestern noch meine Zettelsammlung aktualisiert und neu geordnet haben und dabei den Zusammenhang beweisen. Mist!’, fluchte ich vor mich hin. Das musste ich heute unbedingt nachholen.
„Was sagt denn unser Freund von der Feuerwehr?“, wollte der Polizeipräsident wissen.
„Es handelt sich bei dem Scheunenbrand eindeutig um Brandstiftung“, berichtete Böhnke. Innerhalb der Scheune musste jemand das Feuer gelegt haben. Nach der Lage des eingestürzten Daches und der
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