Blut klebt am Karlspreis
ohne sich auf eine lange Diskussion einzulassen.
„Wieso ruft der ausgerechnet bei Ihnen an?“ Ich witterte eine Plaudertasche in unserem Kreis.
„Die Presse weiß doch seit Jahren, dass Böhnke die Einsatzleitung beim Karlspreisfest hat“, antwortete der Polizeipräsident an Böhnkes Stelle. „Das ist kein Geheimnis.“
„Ist ja schön, ausgerechnet von der Presse zu erfahren, dass unser britischer Gast morgen erst kommt“, knurrte der Kommissar. „Das hätten die in Bonn uns auch einmal sagen können.“
„Tun sie noch“, versuchte der Polizeipräsident, ihn zu beschwichtigen, „die Kollegen werden uns bestimmt einen detaillierten Reiseplan zukommen lassen.“
Seine Zuversicht trog ihn nicht. Bald lag ein Fax vor uns, in dem der Bundesgrenzschutz mitteilte, der Premier werde am Donnerstag gegen acht Uhr in Teveren landen, mit einem Hubschrauber der Bundeswehr ins Reitstadion geflogen und von dort mit einer Polizeieskorte zum Quellenhof geleitet. Dort würde er sich frisch machen und gemeinsam mit den anderen Festgästen zum Dom fahren.
„So einfach geht das“, maulte Böhnke. „Wir stehen vor vollendeten Tatsachen und müssen eine Eskorte bereitstellen. Das bedeutet gleichzeitig, dass wir die Kollegen für diese Zeit von anderen Stellen abziehen müssen. Oder glauben Sie etwa, ich könnte auf die Schnelle noch fünf Dutzend zusätzliche Männer bekomme?“ Er funkelte den Polizeipräsidenten an, der sich abdrehte. „Ich kann es nicht ändern. Sie haben zu handeln.“ Energisch zog er die Zimmertür hinter sich zu.
Böhnke wollte lospoltern, beließ es dann aber bei einem wütenden Abwinken.
,Wenn das die typische Beamtenhierarchie war, konnte ja nichts klappen’, dachte ich mir, während ich betreten aus dem Fenster in die Soers schaute.
„Kein Kommentar von Ihnen, Herr Grundler?“, hörte ich Böhnke spitz fragen.
Ich drehte mich um und sah ihn lächelnd an. „Kein Kommentar.“ Ich hatte genug Sorgen mit Müller und Jerusalem, mir würden sie reichen.
„Okay, okay“, beruhigte er sich wieder. „Machen wir halt das Beste daraus.“ Er gab seinen Assistenten einige Anweisungen und sie zogen beflissen ab.
Böhnke setzte sich an seinen Schreibtisch und schlug die Akte auf. „Wenn Sie wollen, können Sie gerne mitlesen“, forderte er mich auf. „Ich habe hier alle Unterlagen über unsere Vorbereitungen.“
Neugierig griff ich nach den Papieren. Ich war erstaunt, auf was die Polizei alles achten musste, was alles kontrolliert worden war, wie jeder Gullideckel aufgeführt, wie jedes Fenster beschrieben, wie jeder Papierkorb vermerkt wurde. „Unser größtes Problem wird es sein, die Politiker zusammenzuhalten, wenn wir sie zum Dom fahren. Sie lassen sich nicht gerne bevormunden, während wir darauf bestehen müssen, dass sie pünktlich auf die Minute in bestimmte Autos steigen. Durch ihre Eitelkeit erschweren die angeblich Großen dieser Welt unsere Arbeit für ihre Sicherheit.“
Aufmerksam und konzentriert wälzte ich die Papiere. Alle Aspekte waren klar durchdacht und präzise beschrieben worden.
Viele denkbare Eventualitäten oder plötzlich auftretende Schwierigkeiten waren mit Lösungsmöglichkeiten versehen. Was zu geschehen hatte, wenn eine Staatskarosse einen Motorschaden haben sollte, war ebenso beschrieben wie ein plötzlicher Wetterumschwung, der den Fußweg über die Krämerstraße unmöglich machen würde.
Ungläubig las ich die Angaben zu den Sicherheitskräften, die in der Hinterhand gehalten wurden und die im Normalfall niemand zu Gesicht bekommen würde. Im Schutzraum des Quellenhofes und des Rathauses, selbst in Nebenräumen des Doms und in den Kellern vieler Gebäude würden bewaffnete Einsatzkommandos am frühen Morgen, fast noch in der Nacht, Position beziehen und abwarten. „Bis wir sie am Nachmittag nach einem langweiligen Dienst wieder abholen“, ergänzte Böhnke. „Niemand bekommt mit, dass diese Kollegen überhaupt präsent sind, so lange alles normal verläuft.“
„Haben Sie stets diese große Zahl der versteckten Kollegen oder ist sie in diesem Jahr ein Ausnahmefall?“
„Das ist normal“, antwortete der Kommissar. „Das wird seit vielen Jahren von uns praktiziert.“
Auch beim Mittagessen in der Kantine vermittelte mir Böhnke den Eindruck, als sehe er gelassen dem nächsten Tag entgegen. „Ich bin davon überzeugt, alles Menschenmögliche gemacht zu haben“, erklärte er, „aber ich weiß auch, dass Chaoten
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