Blut klebt am Karlspreis
Balken muss die Scheune von innen nach außen abgebrannt sein. Das Dach war gleichmäßig in sich zusammengestürzt und nicht einseitig abgesackt, wie es bei einem Brand geschehen wäre, der von außen gezündet wurde.
Die Vermutung ging dahin, dass mit Benzin gearbeitet worden war. In den Trümmern war ein Kanister gefunden worden, der Scheunenbesitzer habe glaubwürdig versichert, dort keine brennbaren Flüssigkeiten gelagert zu haben. Die Scheune war leer gewesen bis auf das Reststroh. Wie der Experte aus den Berichten der beiden Feuerwehrmänner, die den Verletzten unter Einsatz ihres Lebens geborgen hatten, geschlossen hatte, musste großflächig in der Scheune das Benzin verteilt worden sein. Die Männer hatten berichtet, das Feuer sei an allen Seitenwänden hochgeklettert. Das Fazit des Sachverständigen war unmissverständlich: eindeutig Brandstiftung.
„Verübt zur Begehung eines Mordes“, fügte Böhnke an. „Wir hätten das Verbrechen vielleicht nicht mitbekommen, wenn die Feuerwehr langsamer gewesen wäre.“ Er hielt den Obduktionsbericht hoch und berichtete dem Polizeipräsidenten, was ich schon gelesen hatte. Das Opfer war auf dem Bauch liegend mit Hanfseilen auf dem Rücken gefesselt gewesen. „Die Seile wären restlos verbrannt, ohne Spuren zu hinterlassen. Das hätte dann nach Unfall oder Selbstmord ausgesehen“, meinte er grimmig.
Es habe keine Möglichkeit mehr bestanden, den Mann zu retten, so hieß es im Obduktionsbericht. Sein Körper war schon größtenteils verbrannt, die verbrannte Kleidung hatte sich in die Haut eingeätzt. Eine Bemerkung machte uns alle aufmerksam: Der Mann musste wenige Stunden vor seinem Ableben Chloroform eingeatmet haben. Dies hatte die Untersuchung ergeben.
Damit wurde für mich klar, Müller hatte sich mit Jerusalem und dem Unbekannten in Monschau getroffen. Die beiden hatten den Mann betäubt, gefesselt und nach Huppenbroich gebracht, wo er in der Scheune verbrennen sollte. Für mich stellte sich daher eine Frage: Gehörte der Tote etwa auch zu dem Kreis der Neonazis oder war er ihnen zu nahe gekommen? „Das lässt sich vielleicht klären, wenn wir ihn identifiziert haben“, bemerkte der Polizeipräsident. „Wie steht es damit?“, fragte er Böhnke.
„Noch keine weit reichenden Erkenntnisse. Papiere waren Fehlanzeige, die Fingerabdrücke sind Glückssache und das Gebiss wird im Laufe des Tages untersucht. Wir wissen mit Sicherheit nur, dass der Mann einen Meter achtzig groß und etwa dreißig Jahre alt ist. Im Moment versuchen unsere Leute, eine Porträtaufnahme per Computer zu erstellen. Viel Haut und Haare gibt es allerdings nicht.“ Böhnke hob entschuldigend die Hände. „Die Kollegen sind seit gestern Abend im Einsatz, aber es dauert seine Zeit.“ Missmutig griff er zum Telefon, das fordernd schellte.
„Was gibt’s?“, schnauzte er, um sich sofort im Tonfall zu mäßigen. „Wenn’s sein muss, stellen Sie bitte durch.“
Er hielt die Sprechmuschel zu. „Da ist die Aachener Zeitung dran. Die will mich sprechen.“ Böhnke schaltete den Lautsprecher an und meldete sich höflich.
An der Stimme erkannte ich den AZ-Reporter. Er wollte wissen, ob die Polizei schon von den geänderten Plänen des britischen Premiers gehört hätte. „Nein, kommt er etwa nicht?“
„Er kommt schon. Und er landet auf der Awacs-Basis.“ Das habe ihm die britische Botschaft auf Nachfrage erklärt. „Ich muss doch wissen, ob die Verleihung überhaupt stattfindet. Das soll schließlich am Freitag unser Aufmacher sein“, witzelte er. „Und wann kommt der Premier?“
„Morgen früh. Sie müssen ihn dann nur noch sicher von Geilenkirchen nach Aachen bringen.“ Der Journalist lachte. „Ihrer Frage entnehme ich, dass ich Sie mit einer Neuigkeit versorgt habe.“
Böhnke sah keinen Grund, zu dementieren. „Sie wissen doch, dass die zuerst Betroffenen als Letzte informiert werden.“
Wieder lachte der Schreiberling. „Dafür habe ich aber einen Gefallen gut.“
„Und der wäre?“
„Können Sie mir verraten, wo ich Grundler finde? Der Kerl ist wie vom Erdboden verschwunden. Niemand kann oder will mir sagen, wo er ist. Angeblich soll er zu Hause sein, aber dort meldet er sich nicht.“
Ich schüttelte verneinend den Kopf, als Böhnke mich fragend anblickte. „Falls ich mit ihm sprechen sollte, sage ich ihm, er möge Sie anrufen. Mehr kann ich im Moment nicht für Sie tun“, sagte er in den Hörer und beendete das Gespräch,
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