Blut klebt am Karlspreis
zweimal machen. „Na, denn los!“, forderte ich Böhnke auf und griff nach meinen Krücken.
In der unscheinbaren Wohnung von Pusch in einem Mietblock an der Scherberger Straße hatten die Beamten bereits sämtliche Räume durchsucht, aber nichts Auffälliges entdeckt. Lediglich der durchgedrückte Schriftzug auf dem oberen, leeren Blatt eines Schreibblocks fiel den Ermittlern auf. „Wir haben versucht, den Text zu rekonstruieren“, sagte ein Beamter zu Böhnke, „aber es sind nur Bruchstücke erkennbar.“
Er reichte dem Kommissar die Aufzeichnung, die er mir nach dem Lesen weitergab. „Auto, Panzerfaust, Alternative“, diese Wörter hatten die Spezialisten ermitteln können.
„Damit ist wohl alles klar“, kommentierte ich den Fund, als mich Böhnke zu meiner Wohnung brachte.
„Alles nicht, aber einiges“, entgegnete er. „Was denken Sie denn?“
„Ich denke, dass Neonazis morgen ein Attentat geplant haben.
Mit einer Panzerfaust soll es wohl gegen das Auto gehen, in dem der Premier sitzt und wenn der erste Versuch nicht klappt, gibt’s einen zweiten.“
Böhnke nickte bedächtig. „Aber warum musste Pusch sterben?
Was meinen Sie?“
„Vielleicht wusste er zu viel, vielleicht ist er aufgefallen. Da hat man ihn schlichtweg eliminiert“, antwortete ich.
„Wie den Niederländer?“
Für einige Augenblicke war ich verwirrt. „Wie meinen Sie das?“
„Er ist ebenfalls aufgefallen und wusste vielleicht zu viel“, erklärte der Kommissar. „Da musste er sterben.“
„Wissen Sie das?“
„Nein. Ich glaube es.“
Am Templergraben ließ mich Böhnke aussteigen mit der Zusicherung, mich in einer Stunde abzuholen. „Und denken Sie daran, Herr Grundler, zu niemandem ein Sterbenswörtchen, auch nicht zu Ihrer Freundin.“
Das Schweigen fiel mir verdammt schwer, zumal mich Sabine eindringlich nach meinem späten Erscheinen fragte. Sie schmollte sogar, als ich sie barsch abwies. Aber sie würde mich verstehen, tröstete ich mich; wenn alles vorbei war, würde ich sie in mein Geheimnis einweihen.
Es kostete mich nicht nur einige Überwindung, mich in Hemd und Anzug von Dieter zu zwängen, es kostete mich noch mehr Überredungskünste, Sabine dazu zu bewegen, mir die Krawatte zu binden.
„Jetzt siehst du wenigstens einmal wie ein Mensch aus“, maulte sie, als sie mich in meiner Ausgehkleidung sah. „So solltest du eigentlich immer im Büro herumlaufen.“
Da schwieg ich besser und schaute durchs Fenster hinunter auf die Straße, auf der Böhnke angefahren kam.
Die Eingangskontrolle am Eurogress war nicht allzu intensiv. In Begleitung des Einsatzleiters und an den Krücken jederzeit erkennbar, hatte ich keine Probleme, in das Gebäude zu gelangen. Es war schon ein ungewöhnliches Gefühl, sich in der Nähe vieler Männer und einiger weniger Frauen aufzuhalten, die normalerweise nur von Bildern und aus den Nachrichten bekannt waren. Das Herzen und Lachen war allerdings nicht anders als bei anderen Gesellschaften, man war unter sich und benahm sich wie jedermann.
„Sprechen Sie bloß niemanden auf ein mögliches Attentat an“, warnte mich Böhnke. „Sie wecken entweder nur schlafende Hunde oder treiben einige Politiker in eine unangebrachte Panik.“ Er blickte sich um. „Sind sie nicht toll, unsere Staatsmänner und unsere Aachener Honoratioren?“
Ich blieb ihm eine Antwort schuldig. So gewichtig fand ich die Gesellschaft gar nicht, das schien mir eher eine Versammlung von Biedermännern, deren Krönung ein Kellner war, der eilfertig mit einem Tablett voller Sektkelche umherwuselte. „Kennen Sie diesen Promi etwa nicht?“, fragte ich Böhnke belustigt. „Wie kommt der hierhin?“
Der Kommissar schmunzelte, als er den Kellner erkannte. „Das sind die kleinen Zugeständnisse an unsere Presse. Das hat mein Chef arrangiert.“ Er winkte dem Kellner zu, der sich durch die Menge zu uns schlängelte.
Der AZ-Reporter machte nicht die schlechteste Figur in seinem Frack.
Christi Himmelfahrt
In der Nacht machte ich kein Auge zu. Die Eindrücke aus dem Eurogress vermischten sich mit der Anspannung vor dem großen Tag und der Fülle der Informationen, die sich auf meinen Notizzetteln angesammelt hatten. Ich war fast so weit, darauf zu drängen, die Verleihung des Karlspreises abzusagen. Das sei die einzige Möglichkeit, ein Attentat garantiert zu verhindern. Es gab nach meiner Überlegung keinen Ansatz, den Terroristen das Handwerk zu legen. Wir
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