Blut Licht
dann alles um die Ohren“, konterte Darian, klopfte noch einmal auf den Deckel und rief: „Na, noch da?“
Das undeutlich genuschelte „Arschloch“ war als Antwort kaum zu verstehen.
„Nun habt ihr es geschafft, Jungs. Er ist eingeschnappt. Ihr seid echt fies“, resümierte ich und pochte nun meinerseits gegen den Deckel. „Entschuldige bitte, aber du wirst leider noch eine Weile dort unten ausharren müssen.“
„Du bist hier?“ Meinte ich da eine Art Schock in seiner Stimme zu vernehmen? Ich lauschte angespannt. Tatsächlich. Erwirkte geschockt. „Deine Frau ist hier, Dahad? War es ihre Stimme, die ich vor etlichen Stunden gehört habe?“
„Ganz richtig. Das war ihre, Letavian. Faye führte uns danach auch hierher.“
Jetzt kam nichts mehr. Kein Wort. Nicht mal ein Geräusch. Es schien, als würde er seine nächste Reaktion genau überdenken, denn die Möglichkeit, er sei vor Schreck tot umgefallen, schied zwangsläufig aus. Nein, möglicherweise befürchtete er sogar Rache für das, was in New York zwischen uns geschehen war. Meine Entführung hatte ich inzwischen verdaut, auch die Schläge waren vergeben, wenn auch nicht vergessen. An Rache jedoch hatte ich keinerlei Interesse. Mein Kind war gesund auf die Welt gekommen und sämtliche Wunden, auch die seelischen, waren verheilt. Dass er hier seit Monaten eingepfercht und stinkend in dem Brunnen hockte, war Bestrafung genug.
Dennoch kam ich nicht umhin, ihm einen kleinen, verbalen Seitenhieb zu verpassen: „Können wir zu deiner Bequemlichkeit vielleicht etwas beitragen, Letavian? Einen ganzen Liter Kamelblut oder ein wenig mehr Sonnenlicht?“
„Nenn du mich noch einmal fies, Faye“, brummte Alistair. Ich griente ihm konspirativ zu.
„Mit euch rede ich nicht mehr“, schmollte es da durch den Deckel. „Schade“, entgegnete ich leichthin und verließ vorerst den Schauplatz. Als ich meinen Bruder passierte, warf ich ihm einen lauernden Blick zu: „Was hast du eigentlich gegen mein Deo?“
„Es beißt unangenehm in der Nase, sofern man empfindlich auf Gerüche reagiert“, übernahm Rahid die Antwort und zog seinen hellbeigefarbenen Kaftan zum Schutz gegen die Helligkeit ein wenig enger um sich. Dabei fiel sein Blick auf einen großen, bräunlichen Fleck und er schnaubte. „Ich kann Letavian durchaus verstehen. Meine Kleidung bedarf ebenfalls einer Reinigung.“ Dann sah er auf, bemerkte mein Erstaunen und fügte süffisant hinzu: „Blut geht immer so schwer raus. Doch wo wir gerade beim Thema sind: Wie steht es um euren unbedachten Freund? Ich hörte, dass es ihm schlechter geht.“ „Er wird es möglicherweise nicht überleben. Deine missratene Brut hat ganze Arbeit geleistet“, warf Darian ein und reichte ihm nebenbei den Schirm.
Rahid besaß den Anstand, betreten zu wirken. „Schon als Jungvampir war sie trotz Blutsbande schwer zu kontrollieren. In ihrem Blutrausch jedoch ...“ Er ließ die letzten Worte ungesagt verklingen und doch wussten wir alle, was er damit ausdrücken wollte.
Darian nickte lediglich und wollte schon weitergehen, als er abrupt innehielt und in die Gesäßtasche seiner Jeans fasste. Bedächtig zog er die Chipkarte hervor, die ich ihm vor Stunden in Shekinahs Haus übergeben hatte. Nach einer optischen Überprüfung streckte er sie Rahid entgegen. „Das ist die Karte aus eurem Satellitentelefon. Wen hättest du kontaktiert, sobald deine Aufgabe erfüllt worden wäre?“ Der Schirm schnellte in die Höhe, Rahid hinterher. Skeptisch betrachtete er die Karte. „Wo hast du sie gefunden?“
„Faye fand sie. Also nochmals: Wer ist dein Kontakt?“
„Khalid“, entgegnete er ruhig. „Er erwartet meinen Anruf frühestens gegen Abend. Wir haben zwar damit gerechnet, dass die Alte zur Rettung ihrer Enkelin eher eintreffen wird, aber nicht damit, dass du sie begleitest. Keiner von uns hatte dich ernsthaft auf dem Radar, weil es hieß, du würdest dich weiterhin in Rom befinden.“
„Ich vermute, diese Information stammt von Thalion“, mutmaßte
Darian und Rahid nickte. „Soweit ich weiß, ja.“
„Wie habt ihr herausgefunden, wo sich Sanaz befindet?“
Der Weißhaarige seufzte. „Monatelang hat Khalid nach Letavians Verbleib geforscht und ist vor wenigen Wochen per Zufall über die alte Wächterin gestolpert. Seitdem ließ er die Alte überwachen und fand so vor gut zwei Wochen heraus, dass sie zwei Enkelinnen hat. Die eine reiste mit Hilfe des britischen Militärs in die Türkei aus und von dort
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