Blut Licht
aus.
„Oh verdammt!“ Behände rollte mein Bruder aus der Reichweite der nach ihm schlagenden Hand. Die krallenartig verkrampften Finger zischten nur knapp an ihm vorbei.
Geschockt und jeder Bewegung unfähig, konnte ich Steven nur anstarren, der sich, wie in tobender Raserei zu mir umdrehte. Da schleuderte Darian den Becher von sich, verpasste mir einen Stoß, der mich gut drei Meter nach hinten beförderte, und warf sich zwischen Steven und mich. Ich schrie geschockt, als Stevens Krallen die rechte Schulter meines Mannes aufrissen. Er aber ignorierte den Schmerz, holte aus und verpasste dem Tobenden einen Schlag, der ihn umgehend zurück auf das Lager schickte. Ein weiterer Schlag direkt gegen die linke Schläfe folgte, dann gingen bei Steven die Lichter aus. Sogleich tastete Darian Stevens Gesicht ab und achtete kaum darauf, dass ihm selbst weiterhin das Blut aus der umwickelten Wunde tropfte. Nein, es tropfte nicht, es lief. Ein dünnes Rinnsal bahnte sich seinen Weg durch das durchweichte Tuch und strömte ungehindert auf Stevens Oberkörper. Ich bekam meine Augen von diesem Anblick nicht los.
Überall war Blut. Auf Darians Armen und seiner Kleidung. Auf Stevens Gesicht, seiner Brust, dem Schlafsack und sogar dem Boden. Diverse Spritzer bedeckten Jasons Gesicht und Hemd. Selbst Rahid hatte einiges abbekommen. Wohin ich auch sah, es war überall. Zu viel rotes, metallisch riechendes Blut.
Viel zu viel.
Plötzlich war alles einfach nur noch zu viel. Für mich.
„Bist du in Ordnung, Mädchen?“
Von vielen Rot weiterhin völlig paralysiert, sah ich zu Jason auf. Ich hatte nicht registriert, dass er zu mir gekommen und sich neben mich gehockt hatte. Ebenso wenig, wie ich bemerkt hatte, dass er mir seine Militärjacke um die Schultern gelegt hatte. Ich probierte zu sprechen, bekam aber kein Wort heraus. Meine Lippen zitterten und als ich an mir heruntersah, bemerkte ich auch das unkontrollierbare Zittern meiner Hände. Abermals sah ich Jason an und stellte meine Tränen erst in dem Moment fest, in dem er sie mir mit dem Daumen von den Wangen wischte. Dann jedoch brach der Damm und meine Nerven versagten vollkommen. Wie eine willenlose Puppe fiel ich ihm in die Arme, hielt mich schutzsuchend daran fest und konnte -selbst wenn ich es gewollt hätte - die Tränenflut nicht stoppen. Nicht jetzt. Auch nicht später. Vielleicht sogar nie wieder.
Kapitel sechsundvierzig
A lles hat irgendwann einmal ein Ende. So auch meine Tränenflut. Diese endete nämlich eine geraume Weile später in einem leisen Schniefen, dem hilfreichen Entgegennehmen eines Taschentuches und dem anschließenden, geräuschvollen Schnäuzen. Obgleich ich, während des Versenkens meiner Nase in das besagte Taschentuch irgendwie das Gefühl nicht loswurde, einen neuen Rekord in der ungeliebten Disziplin des Heulattacke-Nervenzusammenbuchs aufgestellt zu haben. Dreißig Minuten anhaltendes Tarnfarbenhemd aus dicker Baumwolle war für mich schon mehr als nur beachtlich.
Er selbst nahm es locker, lächelte mir zu und reichte mir zeitgleich einen Thermoskannenbecher mit lauwarmen, schwarzen Tee. Woher er den hatte, ließ sich nur vermuten, doch anhand der Stärke des Gebräus war nicht auszuschließen, dass er diesen noch während unseres Fluges aufgebrüht hatte.
„Geht es wieder?“, erkundigte er sich nach meinem zweiten Testschluck.
Ich nickte wortlos, leerte schließlich den Becher und gab ihm diesen zurück. Dabei sah ich mich nach Steven um und fand ihn weiterhin regungslos auf der Isomatte unter der Plane liegen. Eine kleine Öllampe, nahe seinem Kopf spendete schwaches Licht und in ihrem Schein machte ich Kahina aus. Sie hockte neben ihm und tupfte seine Stirn mit einem feuchten Tuch ab. Die Männer aber waren gegangen, doch hörte ich aus der Nähe ihre leisen Stimmen.
Entgegen seines Gebarens von vor einer knappen Dreiviertelstunde, wirkte Steven jetzt friedlich und hatte obendrein ein wenig mehr Farbe zurückerhalten. Oder sollte ich sagen, er habe die vorherige Farbe eher wieder verdrängt? Ich verengte den Blick, um in der Dunkelheit konzentrierter sehen zu können. Mir entwich ein erstaunter Laut, als ich entdeckte, was genau mich stutzig gemacht hatte. Das dunkle Gespinst unter seiner Haut war beinahe verschwunden. Nur noch schattenhaft waren einzelne Linien erkennbar. War es möglich, dass ...?
„Darians Blut hat wie ein Gegengift gewirkt, Faye. Steven geht es tatsächlich schon viel besser“, bestätigte Jason mir das
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