Blut muss fließen
2012 auf die oben erwähnte Anfrage aus dem Bundestag hin: »Lokalitäten werden in solchen Fällen von den Hells Angels, den Bandidos, dem Gremium MC sowie weiteren Rockerclubs zur Verfügung gestellt. Beispielhaft kann ein ehemaliges Clubhaus des Red Devils MC in Unterwellenborn (Thüringen) angeführt werden, welches mehrfach für entsprechende Veranstaltungen genutzt wurde.« Dieses Clubhaus war das Alte Labor. Ich habe dort bei drei Konzerten erlebt, wie bis zu 300 Neonazis, Hooligans und Rocker gemeinsam gefeiert haben – Skinheads und Red Devils teilweise in Personalunion.
Der Motorradclub der roten Teufel aus Saalfeld unterstützte die Hells Angels in Erfurt – sowie Nazis und Nazi-Hools, indem er seine Clubräume zur Verfügung stellte. »Ende 2004 wurde das Objekt | 248 | durch eine Eigentümergemeinschaft erworben und bis Dezember 2010 als Vereinsheim genutzt«, teilte der Thüringer Innenminister Jörg Geibert am 8. Mai 2012 der Landtagsabgeordneten Katharina König von der Linken mit. Waren die Red Devils Saalfeld Ende 2010 ausgezogen? Am 17. April 2011 fragte jemand im Online-Gästebuch der Hells Angels Erfurt: »Wieso wurde RDMC Saalfeld aufgelöst?« Die Antwort: »Ist nicht aufgelöst.« Als ich am 11. Juni 2011 in Unterwellenborn ein »Kategorie C«-Konzert gefilmt habe, war nur der Schriftzug des Motorradclubs an der Fassade verschwunden. Aber innen zeigten die Hells-Angels-Supporter nach wie vor Präsenz.
Am 15. August 2011 haben sich die früheren Betreiber des Skinhouse Menfis in Neustadt an der Orla nach längerer Pause mit einem Flyer zurückgemeldet: »Wir sind wieder da. Nur 10 Kilometer vom alten Menfis entfernt.« Gute zwei Wochen später, am 3. September, ging im Alten Labor ein Konzert mit »Selbststeller«, »I don’t like you« und »Old Glory« über die Bühne. Zu diesem Menfis-Come-back befragte das Skinhead-Fanzine Feindkontakt den Betreiber Andreas »Bigge« Bicker:
Feindkontakt:
»Nachdem du das Skinhouse in Neustadt dichtmachen musstest, wird ja jetzt in U … [sic] gefeiert und getrunken! Erstmal herzlichen Glückwunsch zur neuen Möglichkeit. Wie kam’s dazu?«
Bigge:
»Die Jungs aus U … [sic] kannten das ›Skinhouse Menfis‹ schon aus alten Tagen und sind unserer Musik gegenüber nicht voreingenommen. So hat es sich ergeben, dass ich ein gutes Angebot von ihnen bekam, was ich auf gar keinen Fall ausschlagen konnte. Die nächsten Konzerte in dieser genialen Lokalität sind also abgesichert.«
Feindkontakt:
»Das Gelände in U … gehört ja eigentlich dem Motorradclub, und in letzter Zeit feiert die Skinheadszene zunehmend in Rockerclubs. Wie siehst du diese Entwicklung? Gab es keine andere Lokalität? Macht man sich da in gewisser Weise abhängig? Freundlich sind die Jungs ja …«
Bigge:
»Ich sag mal so … Eigentlich ist es ja egal, wer uns eine Möglichkeit gibt, Konzerte zu machen. Wenn es passt, dann passt es … Diese Entwicklung finde ich nicht dramatisch. Mit den Jungs kann man prima zusammenarbeiten. Wir sind ja schließlich alle alt genug, um zu wissen, was wir tun. In der heutigen Zeit ist es nun mal nicht leicht, Skinhead-Kon | 249 | zerte frei von jeglichen Vorurteilen zu veranstalten. Da ist man über jede helfende Hand erfreut.«
Während sich Konzertveranstalter Bicker über die »helfende Hand« der Rocker freute, deren Clubhaus zu diesem Zeitpunkt von außen nicht mehr als Clubhaus erkennbar war, sah das Landesamt für Verfassungsschutz in der teuflischen Unterstützung der »rechtsextremistischen Musikszene« keinen Idealismus, wie es im Herbst 2011 auf eine Presseanfrage hin mitteilte: »Hierbei dürfte der finanzielle Aspekt ausschlaggebend gewesen sein.« Das klingt kurios. Demnach wäre neben Prostitution und Co. auch die Saalvermietung zum gewinnträchtigen Betätigungsfeld von Rockern geworden.
In der Skinhead-Szene wurde bereits eine drohende Abhängigkeit von den Clubstrukturen der Rocker thematisiert, wie die entsprechende Frage des Feindkontakt dokumentiert – die Besorgnis des Thüringer Verfassungsschutzes über diese Verbrüderung hielt sich hingegen in Grenzen: »Eine strukturelle Zusammenarbeit und ideologische Beeinflussung zwischen Rechtsextremisten und kriminellen Rockergruppierungen ist jedoch nicht zu erkennen.« Es hätten nur »vereinzelt Verbindungen zwischen kriminellen Rockergruppierungen und Rechtsextremisten aufgrund persönlicher Bekanntschaftsverhältnisse festgestellt werden« können.
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