Blut muss fließen
den Boxen, was die Besucher zu einer Gesangseinlage animierte: »Wir sind stolz, Deutsche zu sein. Keine Macht kriegt uns heute klein. Heil-froh stehen wir hier. Wir sind Deutsche – was seid ihr?«
Dem Thüringer Verfassungsschutz ist die Lokalität bestens bekannt. Schon im Jahresbericht 2009 stand, dass der Fachwerkhof vornehmlich zu Vortragsveranstaltungen und Schulungen und die Erlebnisscheune überwiegend für Rechtsrockkonzerte und Großveranstaltungen der NPD angemietet werde: »So fanden im Berichtszeitraum unter anderem sieben der insgesamt zehn rechtsextremistischen Konzerte, die Parteitage des NPD-Landesverbandes Thüringen sowie weitere Veranstaltungen mit rechtsextremistischem Bezug in dem Objekt statt.« Für das Jahr 2010 stellte das Landesamt fest: »So fanden im Berichtszeitraum sechs der insgesamt 13 rechtsextremistischen Konzerte, Parteitage des NPD-Landes- und des DVU-Bundesverbandes, ›Treffen der Generationen‹ sowie weitere Veranstaltungen mit rechtsextremistischem Bezug in dem Objekt statt.« Diese Aufzählung ist umfangreich, aber unvollständig: Das »Kategorie C«-Konzert vom 17. April 2010 fehlte in der Statistik.
Im Jahr 2011 ließ das Geschäft mit den Nazis nach. »Nur fünf öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen in Kirchheim mit zum Teil nur wenigen Teilnehmern« haben die Verfassungsschützer registriert. Zumindest einen Teil der Umsatzeinbußen dürfte das Bundeskriminalamt ausgeglichen haben, im Volumen von 2700 Euro. Das kam bei einer Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken heraus. Das Bundesinnenministerium antwortete: »In der Zeit vom 21. bis 23. September 2011 waren anlässlich des Papstbesuchs | 239 | in Erfurt insgesamt 20 Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) im Hotel ›Romantischer Fachwerkhof‹ untergebracht« – also gewissermaßen im Auftrag des Herrn. Das Bundesverwaltungsamt, das als Dienstleister des BKA über »ein großes Hotelbuchungsportal« die Übernachtungen geordert hatte, war jedoch weit davon entfernt, mit göttlichem Allwissen gesegnet zu sein. Die Bundesregierung erklärte, wie es zu der Zimmerbestellung gekommen war: »Wegen des Papstbesuchs war die Hotelsituation im Raum Erfurt im genannten Zeitraum sehr angespannt. Daher mussten die 350 Beamten in 22 verschiedenen Einrichtungen, davon 20 Beamte im ›Romantischen Fachwerkhof‹, untergebracht werden.«
Ein Blick in den Thüringer Verfassungsschutzbericht oder ein Anruf beim dortigen Innenministerium hätte genügt, um das Malheur zu verhindern. Auf die Bundestagsanfrage hin hat sich die Informationslage in Berlin verbessert: »Bei Nutzung des ›Roman- tischen Fachwerkhofs‹ für rechtsextremistische Veranstaltungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Straftaten wie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen oder Verstöße gegen des Versammlungsgesetz beziehungsweise Waffengesetz festgestellt.« Folgt man der Einschätzung des Bundesinnenministeriums, so könnte wenigstens die Vorsehung in die Hotelbuchung hineingespielt haben: »Die Bundesregierung sieht keine Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit ihres Eintretens gegen Rechtsextremismus.« Na dann Halleluja!
Dem »Konzertort in Kirchheim« maß der Thüringer Verfassungsschutz im Jahr 2011 »nur noch eine untergeordnete Bedeutung« bei: »Bevorzugte Veranstaltungsstätte war in diesem Jahr ein Objekt in Unterwellenborn und nicht, wie in den vergangenen Jahren, die ›Erlebnisscheune‹.« Es handelte sich um das Alte Labor, das frühere Materialforschungslabor der örtlichen Maxhütte. Ich war dreimal dort, jeweils bei Konzerten. Beim ersten Mal, am 30. Mai 2009, befanden sich Neonazis im Publikum, aber nicht auf der Bühne. Es spielten die »Böhse Onkelz«-Coverband »Kneipenterroristen« aus Hamburg und die Deutschrockband »Morgenrot« aus dem Raum Saalfeld. Unter den Fans waren unzählige mit Klamotten von Erik & Sons und Thor Steinar sowie einzelne mit Shirts von Nazi-Gruppen | 240 | wie »Sleipnir« und »Sturm 18« anzutreffen. Ein Besucher zeigte ein paarmal den Hitlergruß.
Im Jahr 2010 hat der Thüringer Verfassungsschutz zwei »rechtsextreme Veranstaltungen« in der Immobilie registriert. Der Thüringer Innenminister Jörg Geibert hat am 16. Februar 2011 auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Katharina König von der Linken mitgeteilt: »In dem Objekt ›Altes Labor‹ in Unterwellenborn fand neben der Musikveranstaltung am 4. Dezember 2010 noch ein weiteres
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