Blut muss fließen
mit dem Hakenkreuz.« Im Schankraum des Gebäudekomplexes trafen Rote Teufel in Kutte auf Vertreter verschiedener Divisionen von Blood & Honour. Um es in der Logik mancher Verfassungsschützer zu sagen: Es muss in Europa unglaublich viele persönliche Bekanntschaftsverhältnisse geben, massenhaft Einzelpersonen und Einzelfälle .
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Ein Schwarzafrikaner, affenartig karikiert: Rassistische Mode gehörte genauso zum Sortiment des Seesener Tätowierers Thomas Wipperich wie Alkohol der Hells-Angels-Marke Original 81.
Es dürfte im Interesse der Rockerbosse liegen, dass diese Einzelfalltheorie nicht überstrapaziert wird, damit sich neben den klassischen Kriminalisten nicht auch noch die Staatsschützer an ihre Fersen heften. Möglicherweise mussten sich die Red Devils Saalfeld deshalb etwas zurückziehen oder gar auflösen.
Schon vor der jüngsten Welle der polizeilichen Charter-Auflösungen und Charter-Selbstauflösungen ist der Seesener Ortsverein im Laufe des Jahres 2010 ohne Begründung von der Bildfläche verschwunden, obwohl ihn die Bruderschaft der Roten Teufel erst An | 253 | fang September 2009 als »Prospect Charter« aufgenommen hatte. Und diese Anwartschaft der Red Devils Seesen hatte insbesondere für ihren Präsidenten Thomas »Pit« Wipperich vielversprechend begonnen. Bei der Tattoo-Convention der Hannoveraner Höllenengel am 19. und 20. September 2009 in der Steintor Event Hall hatte er mit seinem Stand eine Art Ehrenplatz bekommen, neben den Künstlern aus dem Umfeld der Gastgeber, neben 81 Tattoo und Piercing. Die 81 steht, wie könnte es anders sein, für den achten und den ersten Buchstaben des Alphabets, also für HA wie Hells Angels.
Ich kannte »Pit« damals noch nicht. Erst seine Arbeitsproben weckten mein Interesse. So fanden sich in seinem Tattoo-Book eine Triskele, ein Keltenkreuz und eine Schwarze Sonne – alles Symbole, die gerne von Nazis verwendet werden. Und als ich ging, fiel mir ein Geländewagen der amerikanischen Marke Hummer auf dem Parkplatz auf, dessen Kennzeichen die Zahl 1488 beinhaltete. Ein Zufall oder der Zahlencode für den rassistischen Schwur aus »14 words« und für »Heil Hitler«? Der Wagen schien Thomas Wipperich zu gehören, denn darauf prangte Werbung für die Homepage www.tapout-store.de, die auf seinen Namen registriert war, aber inzwischen stillgelegt ist.
Ein halbes Jahr später steuerte ich die fragliche Geschäftsadresse in Seesen an und landete in einem Nazi-Laden mit angeschlossenem Tätowierstudio. Vor der Tür unterhielt sich Wipperich gerade mit einem Kunden. »Angels Welcome« war auf einem Schild mit stilisierten Flügeln im Eingangsbereich zu lesen. Im Schaufenster standen alkoholische Getränke der Hells-Angels-Marke Original 81, die ich im Raum Hannover überraschenderweise auch in Tankstellen von Shell, Aral und Esso sowie in Märkten von Real und Edeka entdeckte. Der Seesener Einzelhändler bot unter anderem Original 81 Pussydriver an, einen Sahnelikör. Ansonsten gab es Stuff für Biker and Babes sowie Nazi-Klamotten. Band-Shirts von »Gigi« Gieses »Stahlgewitter« und seinen »Braunen Stadtmusikanten« gehörten gleichermaßen zum Sortiment wie ein Shirt, das mit seiner Aufschrift »Zillertaler Reloaded« an eine der menschenverachtendsten Nazi-Bands erinnerte: die »Zillertaler Türkenjäger«. Ebenfalls an den Ständern hing ein Fan-Shirt des Ku-Klux-Klan, das einen ver | 254 | mummten Kämpfer mit Sturmgewehr zeigte. Und ein weiteres, mit dem der Rassenhass konkret zur Schau gestellt wurde: »Alle Menschen sind gleich!« stand darauf, und abgebildet war ein affenartig karikierter Schwarzafrikaner. In diesem niedersächsischen Laden war die kommerzielle Fusion von Nazi- und Rocker-Geschäft sichtbar, und das höchstwahrscheinlich nicht erst seit dem Tag meines Einkaufs, dem 22. März 2010.
Am 18. März 2010 beantwortete das niedersächsische Innenministerium eine Anfrage der CDU-Landtagsabgeordneten Hans-Christian Biallas und Angelika Jahns: »Der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde liegen keine Erkenntnisse über eine strukturierte Zusammenarbeit zwischen Rechtsextremisten und Rocker vor.« Am 16. Juni 2010 reagierte das Innenministerium auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Pia-Beate Zimmermann und Victor Perli von der Linken:
»Zwischenzeitlich hat sich das Charter des Red Devils MC in Seesen aufgelöst. Gründe hierfür sind nicht bekannt. […] Dem Verfassungsschutz liegen keine Erkenntnisse
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