Blut muss fließen
MC.«
Eine Politisierung der Rocker durch Rechtsextremisten sei nicht zu erwarten: »Im Gegensatz zu Rechtsextremisten verfolgen Rocker kein politisches Ziel. Sie streben danach, kommerzielle Gewinne aus ihren legalen und illegalen Aktivitäten zu erzielen.« Ein bundesweiter Trend zum Eintritt von Rechtsextremisten in Rockerclubs bestehe nicht. »Vereinzelt feststellbar« sei aber eine Neuorientierung von Rechtsextremisten, weg von der politischen Aktivität, nachdem sie Rockerclubs beigetreten seien.
Wenn diese Analyse der Bundesregierung stimmen würde, dann wären Hells Angels und Co. auf dem besten Wege, das erfolgreichste Nazi-Aussteigerprogramm aller Zeiten in Deutschland aufzuziehen. Innenpolitiker, die das glauben, sollten über Zuschüsse für Rockerclubs diskutieren und nicht über deren Verbote. | 271 | | 272 |
Kapitel 13
WENN ES IN DER NEONAZI-SZENE HAARIG WIRD …
»Wir haben den Endsieg errungen. Für Germanien!«
Ronald »Wolf« Möbus, Frontmann der Black-Metal-Band »Absurd« | 273 | | 274 |
Musik mögen es die wenigsten nennen: Underground-Black- Metal ist Lärm gewordener Hass – Hass, der sich unter anderem gegen Christen und Juden richtet. Heiden, Neonazis und Satanisten schmieden in dieser Szene unheilige Allianzen. Mähnige Metaller und Kahlköpfe zeigen sich vereint, sogar bei öffentlichen Pagan-Festivals.
Mörder gehören zu ihren Vorbildern, grausame Tötungsrituale feiern sie in ihren Liedern, und statt Konzerten sprechen sie von »Hellstorms« oder »Battles«, die sie hinterher beispielsweise als »cruel and violent mass of chaos« glorifizieren. Doch als eine »chaotische Messe« tatsächlich »grausam und gewalttätig« zu werden drohte, waren die Black-Metaller verärgert – beim Calling for Battle II am letzten Maiwochenende des Jahres 2006 im sächsischen Wurzen: Ein Skinhead nahm das Motto des Abends wörtlich und zog mit seinen zweieinhalb Zentnern Kampfgewicht in die Schlacht vor der Bühne. Rund 20 Headbanger räumte er mit seinem durchtrainierten, fast zwei Meter großen Körper zur Seite. Es begann ein Schlagabtausch, hart an der Grenze zur Massenschlägerei. Die Langhaarigen versuchten vergebens, das kahlköpfige Kraftpaket zu bändigen.
Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, verstand der Skinhead aus einem östlichen Nachbarland die Welt nicht mehr, als ihm auf einmal geballter Hass entgegenschlug, den er sogar in Form einer Hand an seiner Kehle spürte. Er wollte nur Pogo tanzen, was in seiner Heimat offenbar ruppiger als in Deutschland üblich ist. Deutsche Hools wussten kurz vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 schon, dass es bei den polnischen Kollegen brutaler zugeht, bis zu den langhaarigen Nazi-Metallern hatten sich die nationalen Szeneunterschiede allerdings noch nicht herumgesprochen. Als auf | 275 | der Bühne zwischen zwei Songs kurz Funkstille herrschte und der Pogo-Streit für einen Moment zum Erliegen kam, formierte sich im Publikum ein Metaller-Chor, der den Polackentango der Nazi-Band »Landser« anstimmte. Und weil der vermeintliche Pole (der in Wirklichkeit ein Tscheche zu sein schien) die »Scheiß Polacke«-Rufe mangels Sprachkenntnissen nicht verstand, verstärkten die Langhaarigen ihre Botschaft, indem sie dem Skinhead mehrfach den Hitlergruß zeigten.
Was – rein optisch – nach einem Rollentausch aussah, ist typisch für die Untergrund-Schwarzmetaller. Die Szene wird von Neonazis vereinnahmt. Das angeblich unpolitische Calling for Battle fand in einer ehemaligen Fleischerei statt, dem Sitz des Neonazi-Labels Front-Records. In seinem Internet-Shop hatte der Versand eine Black-Metal-Ecke eingerichtet, wie fast alle Nazi-Vertriebe in Deutschland. Die früher von der Skinhead-Szene als »Zecken-Züchter« verspotteten Black-Metaller sind längst als langhaarige Arier anerkannt. Die Kahlköpfe haben scheinbar bemerkt, dass ihre mannigfach besungenen Vorbilder – Wikinger und Germanen – selten Glatze trugen.
Indem sich die ursprünglich satanisch dominierten Metaller zunehmend zum heidnischen Deutschtum bekannten, wurden sie für die braune Rassenideologie empfänglich. Das erkannten die Neonazis. Seit Ende der 90er Jahre versuchen sie, die Musikszene zu unterwandern. Black-Metal-Bands wurden zu Skin-Konzerten eingeladen, und nach anfänglichen Berührungsängsten begann sich das Publikum zu mischen. Das Ergebnis: Der Hass gegen die Weltreligionen verschmilzt mit dem politischen Hass gegen das Judentum. Während meiner
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