Blut muss fließen
Festival Rock gegen Krieg (später umbenannt in: Rock für Deutschland) in Gera war er im Jahr 2004 augenscheinlich als Helfer im Einsatz. Doch selbst ein White-Power-Aktivist wie er musste mit Schminke nachhelfen, um als »Totenburg«-Sänger mit arisch astrein-weißem Gesicht auftreten zu können.
Am 9. Juni 2007 drängten sich mehr als 300 NS-Black-Metaller in einem Wirtshaussaal, abermals im fränkischen Gremsdorf. Für die langhaarige Neonazi-Szene in Deutschland war das eine rekordverdächtige Beteiligung. Wie schon am 4. März 2006 war sie im Landgasthof von Thomas Göb zu Gast. Göb machte seit Jahren mitten im Ort mit Neonazi-Veranstaltungen Kasse. Bei ihm gingen nach Recherchen der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle aus München unter anderem ein Europa-Kongress der NPD-Jugendorganisation JN, ein NPD-Landesparteitag und eine Hauptversammlung der Hilfsgemeinschaft für Nationale Gefangene (HNG) über die Bühne. Auch am 9. Juni 2007 floss das Bier gewinnträchtig: Im verqualmten Saal, in dem zumindest in früheren Zeiten vermutlich Dorfhochzeiten gefeiert worden sind, herrschten Saunatemperaturen.
Der schweißnassen T-Shirts hatten sich einige längst entledigt, als nach Mitternacht die Band erschien, derentwegen die meisten angereist waren: »Absurd«. Die nationalsozialistische Black-Metal-Szene rechnete mit einem Comeback von Hendrik Möbus, der kurz zuvor, im Frühjahr 2007, aus der Haft entlassen worden war und alsbald wieder Kontakt zu seinem angestammten Milieu aufgenommen hatte.
Die Spannung stieg, als er zu später Stunde die Gasthofbühne betrat. Im Gegensatz zu den schwarzen Metallern im Publikum trug er weder Springerstiefel noch Patronengürtel. Der hochgewachsene Schlacks erschien in Turnschuhen aus Segeltuch. Er bewegte sich langsam, wirkte fast phlegmatisch. Auf »Hendrik!«-Rufe hin hob er kurz die Hand, um etwas verlegen lächelnd seinen Fans zuzuwinken. Für einen Augenblick schien es so, als wolle er sich tatsächlich | 283 | hinter die »Schießbude« setzen. Unbeholfen trommelte er mit den Fingern auf einer Snare-Drum herum, dann lief er zögerlich weiter. Eine bescheidene Ausstrahlung der Kultfigur. Möbus lächelte auf der Konzertbühne wie ein großer Junge, für den Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. Er schien einfach die Freiheit zu genießen, die an diesem Abend nach Zigarettenrauch und Schweiß roch.
Nach dem Aufbau trat er wieder ab, sein Bruder übernahm. Und nach fast jedem Lied beschimpfte Ronald »Wolf« Möbus die Zuhörer als »Affen«. Einem Fan zentrierte er von der Bühne herunter einen Faustschlag, Mikroständer und Schlagzeugbecken warf er mitten in die Menge. Statt sich wie sonst in ein martialisches Rittergewand zu zwängen, hatte der »Absurd«-Frontmann zu tief ins Trinkhorn geschaut. Er merkte nicht einmal, dass seine Unterhose während des gesamten Auftritts über den Jeansbund hinausragte – ziemlich uncool für einen der »Tyrants of German Black Metal«, wie »Absurd« bezeichnet werden.
Zum Leidwesen mancher Zuhörer wollte »Wolf« auch das heisere Krächzen nicht mehr gelingen, wie es für den Blackmetal üblich ist. Er sang »normal«, was die Texte verständlicher werden ließ – zum Beispiel den Song Werwolf: »Ihr könnt meinem Blutdurst nicht entrinnen! Ich stille meine Gier mit Menschenfleisch, mit Zyklon B, mit Gift und Blut.« Die Fans begleiteten den Auftritt, wie üblich, mit Hitlergrüßen und einzelnen »Sieg Heil«-Rufen. Zwischen den Liedern trat hin und wieder ein Publikumschor zusammen und schmetterte traditionelle Nazi-Lieder wie das bekannte »Blut«, dass da »knüppelhageldick« fließen soll.
Derlei Gesänge wollte der damalige Fürther NPD-Kreisvorsitzende Matthias Fischer an der Heimatfront nicht hören. Er saß im Landesvorstand der Partei und fungierte an diesem Abend als »Security« – unmissverständlich im NSBM-Shirt. NSBM steht für »National Socialist Black Metal«. Vier Monate vorher, im Februar 2007, hatte er bei einem Blood & Honour-Konzert in Ungarn selbst die Hand zum Hitlergruß erhoben und mitgefeiert, wo der bayerische Musiker Manfred Edelmann, bekannt als »Edei«, aufgetreten war und unter anderem »Bomben auf Israel« gefordert hatte. In Gremsdorf galt es für Fischer hingegen, Ärger mit der Polizei zu | 284 | vermeiden. Jenen Black-Metaller, der anscheinend das antisemitische Blut-Lied angestimmt hatte, brachte er mit körperlichem Einsatz zum
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