Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blut muss fließen

Blut muss fließen

Titel: Blut muss fließen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kuban
Vom Netzwerk:
scheißegal, das ist uns alles scheißegal.« | 42 |

Kapitel 3
    WER SICH NICHT WEHRT, STEHT AM HERD
    »Solange die noch poppen können, da unten, geht’s denen noch zu gut.«
    Die Neonazi-Aktivistin Isabell P. alias Celticfrica über notleidende Menschen in Afrika | 43 | | 44 |
    Dürfen Neonazis einen Pullover der Band »Race War« öffentlich tragen, ohne dass sie dafür eine Strafe riskieren? Das wollte ein Bayer in einem Internetforum wissen. Damit brachte er eine Kameradin mit dem Pseudonym »Celticfrica« in Rage: »Nen Pulli von ›Race War‹???? Da gibt’s nur Shirts von. […] Dann frag ich mich, wo du den her hast????? Aus Polen? Ist ja ne Frechheit, es gibt nicht mal inoffiziell nen Pulli.«
    Nicht mal inoffiziell nen Pulli. – woher wusste die Frau das? Nach diesem Foreneintrag begann ich mich für Celticfrica zu interessieren. Sie schien ganz nah an der Band dran zu sein, an die auch ich nahe heran wollte. Eine Überprüfung ihrer älteren Beiträge bestätigte diesen Eindruck. Und die Unbekannte schien ein ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis zu haben. Folglich war »Celti«, wie sie im Kameradenkreis abgekürzt wurde, eine spannende Ansprechpartnerin bei meiner »Race War«-Recherche.
    Um mir ein besseres Bild von ihr machen zu können, begann ich, die virtuellen Aktivitäten von Celti zu verfolgen. Sie war gerade damit beschäftigt, eine politische Frauenorganisation aufzubauen, die Aktive Frauen Fraktion (AFF). Da sie eine »Heimatseite« im »Weltnetz« (Szenejargon) angemeldet hatte, war ihre Identität schnell geknackt: Bei »Celticfrica« handelte es sich um Isabell P. aus Obergröningen, einem 500-Einwohner-Dorf auf der Schwäbischen Alb.
    Wer war diese Isabell P.? Um das herauszufinden, habe ich am 20. November 2003 einen ersten Mail-Kontakt zu ihr geknüpft – unter falschem Namen natürlich. Drei weitere Brieffreundschaften folgten. Mit verschiedenartigen Identitäten wollte ich unterschiedliche Informationen erfragen. Ich war eine Jugendliche, die sich für die Arbeit der AFF interessierte. Ich war ein erfahrenes Skingirl, | 45 | das Kontakt zur AFF suchte. Ich war ein Kamerad, der die Frauenarbeit der AFF gut fand. Und ich war ein rechtskonservativer Normalbürger, der Isabell P. scheinbar zufällig kennenlernte – in einem sozialen Internetnetzwerk, in dem sie keinen Querverweis zu ihrer politischen Arbeit bot.
    Celti und ich – beziehungsweise Celti und »wir« – haben uns unzählige Mails geschrieben und halbe Nächte lang in Chatrooms verbracht. Danach wusste ich mehr, als ich wissen wollte – zum Beispiel, dass sie »keinen Bock auf langweiligen Blümchensex« hat. Das Wesentliche war jedoch: Isabell P. war die Freundin von »Race War«-Sänger Max Hirsch, der einmal sogar meine Recherche durchkreuzte. Am 4. Mai 2004 um 21.24 Uhr mussten wir unseren Online-Dialog beenden, weil dieser Hirsch seine Isa besuchen kam. Sie hatte mir schon einiges von ihm erzählt: »Mein Freund studiert Lehrer für Geschichte und Englisch. Das find ich klasse.« Lehren aus der deutschen Geschichte scheint er allerdings keine gezogen zu haben: Er kämpfte ja eingestandenermaßen für ein »Viertes Reich«.
    Seine Freundin hatte einen holprigeren Werdegang hinter sich. Als ich sie kennenlernte, lebten zwei Töchter im Haushalt der damals 27-Jährigen, ihr erstgeborenes Kind nicht. Das ältere der beiden Mädchen, ein Kindergartenkind, war nach dem Way of Life ihrer Mutter benannt: Sie hieß »Renee«. So werden die weiblichen Skinheads bezeichnet, die traditionell einen »Feathercut« tragen. Das ist ein Haarschnitt, bei dem im Extrem die Frauen raspelkurz geschoren sind – nur vorne bleibt ein Pony stehen, der seitlich jeweils von einer langen Franse, pardon, Strähne begrenzt wird. Und wer seinen Kopf schwerpunktmäßig für diese Frisur nutzt, der tauft seine Tochter vermutlich »Renee« …
    Celti war alleinerziehende Mutter. Von ihrem Mann lebte sie getrennt. Seinetwegen hatte sie sich genötigt gesehen, Thüringen zu verlassen. Als sie auf diese Weise aus ihrer Heimat vertrieben wurde, kannte sie bereits Max Hirsch. Er stammt aus Bettringen bei Schwäbisch Gmünd, und sie zog in das rund 20 Kilometer entfernte Obergröningen: »Ich habe es innerhalb eines Jahres geschafft, von nichts (ich habe nur meine Kinder gehabt, sonst nichts mitgenommen) zu einem kleinen Haus mit Garten zu kommen und dazu noch eine Or | 46 | ganisation aufzubauen, die funktioniert« – die AFF.

Weitere Kostenlose Bücher