Blut muss fließen
den Fotos, die auf der Homepage von ›Noie Werte‹ zu sehen sind, ist Oliver Hilburger zu erkennen. […] Wir sind der Meinung, Rechtsextremismus darf im Werk Untertürk | 67 | heim keinen Platz haben.« Betriebsräte der Liste Alternative/Klartext forderten in einem Mitarbeiter-Rundbrief: »Ein Neonazi hat im Betriebsrat eines Betriebs mit annähernd 40 Prozent ausländischer Belegschaft rein gar nichts verloren. Oliver Hilburger wurde über die Liste der CGM in den Betriebsrat gewählt. Wir fordern die CGM auf, umgehend dafür zu sorgen, dass er sein Mandat zurückgibt.«
Hilburger war obendrein im Landesvorstand der CGM und Vorsitzender ihrer Vertrauenskörperleitung. Von diesen Ämtern ist er im Sommer 2007 zurückgetreten – ehrenamtlicher Richter am Stuttgarter Arbeitsgericht wollte er hingegen bleiben.
Daraufhin berichtete die Landesschau des SWR-Fernsehens über den Fall. Ich hatte für den Beitrag recherchiert und mein Videomaterial von »Noie Werte« geliefert, auf dem Oliver Hilburger als Gitarrist zu sehen ist. Der damalige CGM-Bundesvorsitzende Reinhardt Schiller, dessen Gewerkschaft den Rechtsrocker für das Richteramt vorgeschlagen hatte, sagte im Interview mit dem SWR: »Wieso sollte ein Mensch, der zugegebenermaßen etwas seltsame Texte singt, nicht in der Lage sein, an einem Arbeitsgericht Recht zu sprechen?« Schiller ist politisch anerkannt. Ein knappes Jahr später verlieh der damalige Ministerpräsident Günther Oettinger seinem Parteifreund die Landesverdienstmedaille.
Das Landesarbeitsgericht teilte die Auffassung Schillers nicht. Am 11. Januar 2008 verkündete es die Entscheidung, dass Oliver Hilburger »seines Amtes als ehrenamtlicher Richter beim Arbeitsgericht Stuttgart enthoben wird«. Der »Noie Werte«-Gitarrist legte dagegen eine Verfassungsbeschwerde ein. Vertreten wurde er von der Frau seines Sängers, der Reutlinger Rechtsanwältin Meike Hammer. Für die Erbrechtsspezialistin gab es vor dem Bundesverfassungsgericht nichts zu erben . Das Ergebnis: »Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.« In der Begründung des höchsten deutschen Gerichts stand: »Nicht nur hauptamtliche, sondern auch ehrenamtliche Richter unterliegen einer Pflicht zur besonderen Verfassungstreue.« Und:
»Vorliegend ist das Landesarbeitsgericht in eingehender Auseinandersetzung mit den Liedtexten und dem Auftreten der Band ›Noie Werte‹ zu dem | 68 | Schluss gekommen, dass diese bei einer Gesamtwürdigung der Umstände Assoziationen zum nationalsozialistischen Regime weckten, gewaltverherrlichend seien und von einer verfassungsfeindlichen Ideologie zeugten. Eine plausible anderweitige Deutung lässt sich insbesondere auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht entnehmen; er beschränkt sich vielmehr darauf, die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts anzuzweifeln.«
Oliver Hilburger war damit endgültig sein Richteramt los.
Dafür kehrte er 2010 in den Untertürkheimer Daimler-Betriebsrat zurück. Zusammen mit anderen Mitarbeitern hatte er den Verein Zentrum Automobil gegründet, der mit seiner Betriebsratsliste erfolgreich bei der Wahl antrat, so dass Hilburger den Antiglobalisierungskampf von »Noie Werte« fortsetzen kann – ohne, dass er länger in der Band wäre. Als 2009 deren Album Unplugged herauskam, hatte »Olli« seine Gitarre bereits aus der Hand gelegt – obwohl seine neuen Kollegen noch weniger Probleme mit seinem politischen Engagement hatten als die Christliche Gewerkschaft Metall. Das ist im Internetforum des Zentrums Automobil e. V. nachzulesen, in dem ich zeitweise unter Pseudonym angemeldet war. Der dortige Moderator »Hans Dampf« betonte: »Es ist völlig unrelevant, ob unser Kollege Oliver noch bei ›Noie Werte‹ spielt oder nicht. Wobei nebenbei bemerkt sei, dass Oliver die besagte Band bereits 2008 verlassen hatte.«
Ein derart geräuschloser Ausstieg ist dem früheren »Noie Werte«-Schlagzeuger Kay B. nicht gelungen. Er hatte sich in eine junge Frau verliebt, deren Vater angeblich Mexikaner war, weshalb er Ende der 90er Jahre aus der Skinhead-Gruppe rausflog. Im Internet folgte ein Schlagabtausch zwischen seiner neuen Band »Carpe Diem« und seiner alten Band »Noie Werte«, in der es um die »Rasse« seiner Freundin ging. Die Freie Nationale Jugend Celle veröffentlichte im Jahr 2000 eine Darstellung von »Noie Werte«, in der sich zunächst »Olli« über die junge Frau äußerte und den politischen Standpunkt der Band
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