Blut muss fließen
Oswald Seitter ist im Februar 2010 verstorben. Er war übrigens ein führender Altpietist und zwölf Jahre lang Synodalpräsident der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. | 71 |
Rechtsanwalt Alexander Heinig ist ein alter Bekannter von Steffen Hammer. Er half bei »Noie Werte« als Live-Bassist aus und hat nach eigenen Angaben auch schon Texte für die Hammer-Truppe geschrieben – ehe er Mitte der 90er Jahre eine eigene Band gründete: »Ultima Ratio«. Auch deren erste CD landete auf dem Index, weil sie »sozialethisch desorientierend« sei, wie der Sänger in einem Interview berichtete.
Alexander Heinig hielt sich Anfang der 90er Jahre bei den Kreuzrittern für Deutschland auf. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg schrieb in seinem Jahresbericht 1994: »Nach einer kurzen, höchst kriminellen Karriere des ›Vorsitzenden‹ und einiger anderer Aktivisten (schwere Körperverletzung, Raub, Vergewaltigungen, et cetera) befinden sich diese Personen seit Anfang 1994 in Haft. Seitdem sind keine Aktivitäten der KfD mehr festzustellen.« Davor hatten die Kreuzritter unter anderem Skinhead-Konzerte veranstaltet. Bei einem »musikalischen Grillfest« der Vereinigung am 22. Mai 1993 war Alexander Heinig einem Szenevideo zufolge in einer Flecktarnhose und mit einer Bierflasche in der Hand vor die Kameraden getreten, um keinen Geringeren als den großen Helden als Balladensänger anzukündigen. »D’r Ian«, so sagte Heinig, werde um 21 Uhr noch ein paar Lieder spielen – »um- sonscht«. Und was vielleicht noch wichtiger für die Skinheads war: »Übrigens koschded’s Bier ab jetzt nur noch 2 Mark.« Danach saß man gemütlich auf der Wiese, als Donaldson seinen wegweisenden Song Suddenly sang.
Knapp zwei Monate später, am 10. Juli 1993, feierten die Kreuzritter ihr zweijähriges Bestehen, und Ian Stuart gratulierte mit einem eigenen Konzert. Von der Bühne herunter entbot er einen Gruß an »Alex« vom »Skrewdriver Service in Germany«. Heinig fungierte augenscheinlich als Security-Mann vor der Bühne, wie auf einer Nazi-DVD zu sehen ist. Und er grölte mit, als der Brite When The Boat Comes In spielte: »Nigger, nigger, go, go, go …«
Gegangen ist aber bekanntlich erst einmal Ian Stuart Donaldson – und zwar nach Walhall, wie die Nazis zu sagen pflegen. Alexander Heinig verfasste für die Kreuzritter-Postille Die Burg einen Nachruf: | 72 |
»Mit ihm stirbt ein wichtiger Bestandteil der nationalistischen Szene. Wie kein anderer in den letzten zwanzig Jahren hat Ian Stuart es verstanden, durch seine Musik vielen Menschen in der ganzen Welt die Ideale des Nationalismus näherzubringen. […] Mich persönlich erfüllt es mit Stolz, dass es mir vergönnt war, Ian Stuart kennenzulernen, und ich ihn einen guten Freund nennen durfte. Ruhe in Frieden, Kamerad. Wir werden dich nie vergessen.«
Das dokumentierte Heinig auf der Debüt-CD von »Ultima Ratio«. Den Titel So nah schrieb er für Ian: »Den Weg der Freundschaft durft’ ich mit dir gehen. Ich schwöre dir, ich werd’ zu unserer Sache stehen.«
Natürlich war auch dieser singende Rechtsanwalt das Ziel meiner Videorecherchen, doch »Ultima Ratio« spielte selten. Als Blood & Honour die Band für das Schweizer Ian-Stuart-Memorial-Konzert im Jahr 2005 ankündigte, stand für mich fest, dass ich hinfahren musste. Ich und meine versteckte Kamera waren da – nur Alexander Heinig fehlte. Er hatte offenbar kurzfristig abgesagt, wie mir ein Allgäuer Kamerad erzählte, der angeblich kurz vor dem Konzert mit dem »Ultima Ratio«-Sänger telefoniert hatte.
Als Konzertbesucher lief mir Heinig jedoch zweimal vor die Kamera – im einschlägigen Treffpunkt Skinhouse Menfis im thüringischen Neustadt an der Orla und beim Ian-Stuart-Memorial 2006 in England. Bei dem Konzert nördlich von London erschien der Rechtsanwalt, der beruflich Robe trägt, in einer olivgrünen Bomberjacke – nicht nur um seines Freundes Ian zu gedenken, sondern auch um den Auftritt von »Kommando Skin« anzuschauen. Sänger der Gruppe war der Gitarrist von »Ultima Ratio«.
Gerne hätte ich mir Hammer und Heinig auch mal vor Gericht angeschaut, etwa als sie drei Aktivisten des Nationalen Infotelefons Karlsruhe vor dem Landgericht vertraten. Die drei Angeklagten mussten wegen einer Parole auf ihrem nationalen Anrufbeantworter vor den Richtern antreten: »Ruhm und Ehre der Waffen-SS.« Vor dem Bundesgerichtshof wurde das Trio im Juli 2005 freigesprochen.
Wie
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