Blut muss fließen
O. Bereits wenig später konnten die Staatschutzermittler des Landeskriminalamts jedoch innerhalb der Gruppierung ›C18 Pinneberg‹ feste Organisationsstrukturen feststellen. Der 22-jährige Marco H. ist nach Einschätzung des Landeskriminalamts zweiter Mann in der Gruppierung und führte die durch O. angeordneten Gewalttaten aus.«
Die Ermittler zitierten aus dem Handbuch Der Weg Vorwärts von Blood & Honour: »Wir brauchen eine Organisation wie Combat 18 …, und wir brauchen sie nicht nur zum Schutz und zur Abwehr. C18 muss als der bewaffnete Arm der Blood & Honour Bewegung agieren . Es gibt viele Wege, Furcht und Terror unter den Feinden zu verbreiten. Einschüchterung, Drohungen und Schläge haben den roten Bastarden über die Jahre hinweg gut gedient.«
Nach Erkenntnissen des polizeilichen Staatsschutzes waren Klemens O. und Marco H. Mitglieder der seit dem Jahr 2000 verbotenen Organisation B&H-Divison Deutschland – Sektion Nordmark. Und weiter: »Klemens O. und Marco H. bezeichnen sich in der rechten Szene selbst als ›B&H-Mitglieder‹. Nach hiesigen Erkenntnissen verfolgt die Gruppierung ›Combat 18 Pinneberg‹ die rechte gewaltorientierte Philosophie der verbotenen ›Blood & Honour Division Deutschland‹. Als Mitglieder von ›B&H‹ nahmen Marco H. und Clemens O. an Konzerten rechter Gruppen teil, die von ›Blood & Honour Europa‹ organisiert werden und fungierten dort auch als ›Security‹-Personal. Aufgrund des Verbotes der Organisation ›Blood & Honour‹ in Deutschland wurde das bis dahin verwendete Symbol ›B&H‹ in ›28‹ (2=B; 8=H) geändert.«
Auf diesen Zahlencode stieß ich im Sommer 2007 bei einem meiner Rechercheeinkäufe im Streetwear-Shop Tostedt bei Hamburg. Die »28« stand auf T-Shirts. Betreiber des Ladens ist Stefan Silar – und mit »Silar B&H Nordmark« war ein Bericht dieser B&H-Sektion im letzten Magazin der deutschen Division unterschrieben. Zudem | 106 | hatte Silar C18-Shirts im Angebot – darunter Exemplare, die eine stilisierte Paketbombenexplosion zeigen oder einen vermummten Skinhead mit Maschinenpistole. Hinzu kam Kleidung für »Landser«-Fans mit der Aufschrift »Terroristen mit E-Gitarre« sowie für Anhänger der »Braunen Stadtmusikanten«, die im Jahr 2011 mit ihrem Song Döner-Killer bundesweit bekannt geworden sind, weil es darin um die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds geht. Die Thüringer Terroristen sollen zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Menschen umgebracht haben. Weder diese Verbrechen noch die Unterstützer dieser Zelle waren dem Bundesamt für Verfassungsschutz aufgefallen, wie seine Berichte bis zum Jahr 2010 dokumentieren: »Auch 2010 waren in Deutschland keine rechtsterroristischen Strukturen feststellbar.« Wieder keine Strukturen . – wie bei Blood & Honour und Combat 18.
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Ein T-Shirt für Terror-Fans im Neonazi-Geschäft »Streetwear Tostedt« anno 2006: Dem militanten Arm des »Blood&Honour«-Netzwerks »Combat 18« werden unter anderem Briefbombenanschläge zugeschrieben.
Wie brutal der »Kampf um das Überleben der europäischen Rasse« geführt werden muss, hatte B&H-Gründer Ian Stuart bereits | 107 | angekündigt – zitiert von Biograf Paul London: »Falls wir scheitern sollten, so werden wir zusammen mit der europäischen Zivilisation zerstört. Sollten wir aber siegen, dann müssen wir in einer gewissenlosen Art mit unseren Feinden umgehen.«
Wie, das ließen schon vor dem Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrunds beispielsweise Auftritte der britischen Band »Whitelaw« erahnen. Deren Sänger hantiert auf der Bühne gerne mit einem Galgenstrick, und er fordert dazu auf, »Nigger«, Juden und Muslime zu hängen. Er war es, der beim englischen Memorial-Konzert 2006 das Publikum aufforderte, zu Ehren von Ian Stuart den Arm zu heben. Eine Minute lang war es mucksmäuschenstill im Zelt. Alle, die ich sehen konnte, zeigten den Hitlergruß. Ich überlegte, das einzige Mal während meiner Undercover-Recherche, ob ich auch die flache rechte Hand nach der Decke strecken müsste, um nicht aufzufallen. Ich beließ es aber bei einer Faust. Und es ging gut. Anschließend entlud sich die Trauer der Neonazis in ohrenbetäubendem »Sieg Heil«-Geschrei.
Ihr Held, Ian Stuart Donaldson, war ein Vordenker. Vieles, was die Neonazis in den vergangenen zehn Jahren gemacht haben, hat er vor mehr als 20 Jahren angestoßen. Mit seinem Bandprojekt »The Klansmen« versuchte er die
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