Blut muss fließen
fortbestehen, jedoch ist ein größerer Organisationsrahmen mit entsprechenden Strukturen zumindest in NRW nicht mehr erkennbar.« Aber in Belgien. Oder stellen ein Konzertveranstalter nebst Schleusern, Kassierern und so weiter keine Organisationsstruktur dar? Im Abschnitt über die Kameradschaft Aachener Land stellte der Verfassungsschutz immerhin Folgendes fest: »Die Kameradschaft unterhält gute Kontakte in die Niederlande und nach Belgien.« Dass sie bei einem deutschen B&H-Konzert in Belgien Flagge zeigte, erwähnte der Inlandsgeheimdienst nicht. Auch im Hinblick auf Combat 18 gab die Behörde Entwarnung: »Einzelne Mitglieder der rechtsextremistischen Szene in Nordrhein-Westfalen zeigen zwar eine gewisse Faszination für ›Combat 18‹, es handelt sich bisher jedoch nicht um erkennbare Strukturen, sondern nur um isoliert zu betrachtende Einzelfälle.« Wahrscheinlich waren die Neonazis, die ich bei dem Konzert in Combat-18-Shirts gesehen hatte, die vom Verfassungsschutz erwähnten Einzelfälle .
Bei der Organisation des Ian-Stuart-Donaldson-Memorials am 14. Oktober 2006 trat »Seemann88« auf dem Konzert-Flyer erneut in Erscheinung. Dieses Mal gekoppelt mit dem Hinweis auf die deutsche Homepage »Braune-Musik.de« und der Grußformel: »Hail Ian Stuart. Hail Blood & Honour. Whatever it takes.« Letzteres ist der Leitspruch des Combat 18. Auf einer C18-CD mit diesem Titel, die im Jahr 2004 erschienen ist, sind die deutschen Bands »Weisse Wölfe«, »Race War« und »Kraftschlag« vertreten. Trotzdem blieb der NRW-Verfassungsschutz in seinen folgenden Jahresberichten – wie 2006 – dabei: »Nach dem rechtskräftigen Verbot sind bis heute keine Aktivitäten in NRW festzustellen, die den Fortbestand von Struk | 100 | turen der ›Blood & Honour‹-Organisation belegen würden …« Das klang nicht nur wie die Aussage aus dem Jahresbericht 2004, es war dieselbe Aussage. »Einzelne Angehörige der rechtsextremistischen Szene in Nordrhein-Westfalen zeigen zwar eine gewisse Faszination für ›Combat 18‹, erkennbare Strukturen liegen aber nicht vor.« Wort für Wort wiederholte das der Verfassungsschutz in seinem Bericht 2008, ohne einen Hinweis auf Sebastian Seemann, der als V-Mann aufgeflogen und wegen Drogen- und Waffenhandels verurteilt worden war. Man kann die Feststellung des Landesamtes auch so interpretieren: Es gab zumindest keine entsprechenden B&H- und C18- Strukturen, die nicht von V-Leuten getragen wurden .
Die Dortmunder Band »Oidoxie«, die mit Seemann zehn Jahre lang kameradschaftlich verbunden war, beeilte sich nach dessen Enttarnung, im Internet Stellung zu beziehen: »Dass Seemann ein V-Mann des Innenministeriums ist, ist richtig.« Diese Nachricht habe die Gruppe wie »ein Messerstich ins Herz« getroffen. Auch »Oidoxie« bekannte sich übrigens zur »Terrormachine Combat 18«, von der es laut Verfassungsschutz keine Strukturen in Nordrhein-Westfalen gibt.
Kurz nach Seemann sollen laut Medienberichten ein Dutzend weiterer V-Leute aufgeflogen sein. Der Nationale Widerstand Dortmund appellierte an die Kameraden: »Sollte Seemann – oder jemand aus seinem Umfeld – erneut versuchen, Kontakt zur Bewegung aufzubauen, müssen diese Kontaktversuche umgehend gemeldet werden.« Die nordrhein-westfälische Neonazi-Szene war verunsichert, wie aus Diskussionen in Internetforen herauszulesen war: »Jetzt glaube ich noch weniger als vorher, dass die Jungs von ›Oidoxie‹ von alledem nichts gewusst haben«, schrieb einer. »Seemann wurde schon im Jahre 1994 (!!!) wegen Drogenhandels verknackt, und trotzdem will man nichts von seinen Geschäften gewusst haben?«
Ein weiterer Aspekt im Fall Seemann: Sein V-Mann-Führer beim Verfassungsschutz geriet in Verdacht, den Neonazi, Waffen- und Drogenhändler vor polizeilichen Ermittlungen gewarnt zu haben – wegen eines Telefonabhörprotokolls, das in einem anderen Gerichtsverfahren in die Prozessakte gerutscht sein soll. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelte deshalb wegen des Ver | 101 | dachts auf Strafvereitelung im Amt. Den Namen des Verfassungsschutzbeamten gab das Landesinnenministerium aber nicht preis. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Karsten Rudolph, kritisierte daher am 12. Februar 2008 den FDP-Ressortchef Ingo Wolf: »Innenminister Wolf behindert offenkundig die Arbeit der Staatsanwaltschaft Bielefeld. Erst lässt er zu, dass der Verdacht entsteht, der Verfassungsschutz arbeite mit kriminellen V-Leuten
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