Blut muss fließen
von den Mitbürgern und Mandatsträgern der CDU berichten, die sich ihm gegenüber »sehr eindrucksvoll besorgt artikuliert« hätten. Christean Wagner sprach sein Schlusswort: »Es geht um den Frieden hier in diesem Stadtteil. So. Mehr habe ich nicht zu sagen.«
Was für den hessischen CDU-Fraktionsvorsitzenden der Frankfurter Stadtteil Hausen darstellte, symbolisierte für den einstigen Berliner CDU-Innensenator Jörg Schönbohm ein Plattenbau in Kreuzberg – ein politisches Anliegen, das aus einem Vor-Ort-Be | 140 | such heraus entstanden war. Am 13. Juni 2008, nunmehr Innenminister des Landes Brandenburg, erzählte er beim Jahreskongress des Studienzentrums Weikersheim im Schloss der gleichnamigen Stadt:
»Ich hatte in Berlin eine Versammlung von Mietern besucht, in Kreuzberg. Da waren 300 Mieter, geplant waren maximal 150. Ich kam rein in den Saal – die Luft brannte. […] Und dann haben sie Beispiele erzählt von Fremdenfeindlichkeit gegenüber Deutschen, von der Art und Weise, wie die lebten. Und es sagte mir eine Frau: ›Wir leben seit 24 Jahren in dem Haus, 12. Stock, Art Plattenbau, also in Westberlin. Und dieser Plattenbau ist jetzt unterhalb des zwölften Stockwerks vergeben an Asylanten und Ausländer. Wenn wir Weihnachten hier sind, dann spielen die ihre Bongos, diese Bongo-Trommeln und alles weitere.‹
Ich hab’ die Frau dann besucht, bin mit denen vom 12. Stock nach unten gegangen. Man konnte an der Geruchsentwicklung erkennen, dass das nicht nach deutschem Kohl roch, sag ich mal zurückhaltend. Darum hab’ ich ja gefordert: Integration.«
Integriert wäre demnach, wer deutschen Kohl isst und an Weihnachten nicht mehr in deutschenfeindlicher Weise auf seinen Bongos spielt …
Das Studienzentrum Weikersheim, eine der Selbstbeschreibung nach »christlich-konservative Denkfabrik der großen bürgerlichen Mitte«, ist 1979 auf Initiative von Hans Filbinger gegründet worden. Im Jahr zuvor war er als Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg zurückgetreten, nachdem bekannt geworden war, dass er als Ankläger und Richter in Marinestrafverfahren von 1943 bis 1945, also während der Nazi-Diktatur, vier Todesurteile beantragt oder gefällt haben soll. Als Filbinger im April 2007 starb, stellte der damals amtierende CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger laut Medienberichten in seiner Trauerrede die Behauptung auf: »Hans Filbinger war kein Nationalsozialist. Im Gegenteil: Er war ein Gegner des NS-Regimes.« Das brachte Oettinger öffentliche Kritik ein – eineinhalb Monate später trat er aus dem Studienzentrum Weikersheim aus.
Der Vizepräsident des Studienzentrums, eben Jörg Schönbohm, nahm darauf beim Jahreskongress 2008 Bezug: »Die Liste jener, die | 141 | der politischen Korrektheit zum Opfer gefallen sind, wird von Tag zu Tag länger. Die Empörungsmaschinerie ist in der Zwischenzeit geölt.« Als Beispiele nannte er die ehemalige Tagesschau -Sprecherin Eva Herman, den Beinahe-Bundespräsidentenkandidaten Steffen Heitmann, den vorzeitig in den Ruhestand entlassenen »Kommando Spezialkräfte«-Kommandeur Reinhard Günzel, den zurückgetretenen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger und Günther Oettinger.
Was sie verbindet? Verkürzt und vereinfacht dargestellt: Alle hatten Aussagen getroffen, die ihnen den Vorwurf einbrachten, eine inakzeptable Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus oder seiner politischen Aufarbeitung eingenommen zu haben. Das hatte für sie persönliche Konsequenzen. Oettinger zog sie selbst, indem er die Weikersheimer »Denkfabrik« verließ. Schönbohm: »Ich war von mancher Entscheidung oder mancher Reaktion im Lande Baden-Württemberg etwas enttäuscht.« Er fügte hinzu: »Auch im Landtag von Brandenburg hatten wir eine aktuelle Diskussion, ob es vertretbar ist, dass der Vizepräsident von Weikersheim, Schönbohm, Innenminister von Brandenburg sein kann. Die Diskussion ist beendet, und meine Entschlossenheit, gegen Linkskader vorzugehen, ist dadurch weiterhin gesteigert worden.«
Je weiter rechts einer steht, desto mehr Linke sieht er. Schönbohm: »Es gibt keine Zensur mehr, Gott sei Dank. Aber es gibt den Aufstand der Anständigen und die Tugend- und Moralwächter, die uns sagen wollen, was wir zu tun haben und was nicht. Was wir momentan erleben, ist ein Amoklauf der politischen Korrektheit. In allen Bereichen infizieren uns die Gutmenschen mit dem Betroffenheitsvirus und wollen unsere Lebensgewohnheiten bestimmen.«
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