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Blut muss fließen

Blut muss fließen

Titel: Blut muss fließen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kuban
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erinnern können, ob die namentlich ermittelten Personen auf der Bühne gestanden haben.
    Wie hatte es Beckstein erklärt? »Die zuständigen Stellen sind halt Staatsanwälte und nicht wir.« Die Staatsanwälte sind jedoch auf eine gute Polizeiarbeit angewiesen, und dafür muss ein Innenminister die Voraussetzungen schaffen. Das hat Beckstein nicht getan. Andernfalls wären in Mitterschweib Polizisten vor Ort gewesen, die strafbare Nazi-Lieder erkennen können und die Straftäter dann umgehend dingfest machen.
    Unter seinem Nachfolger Joachim Herrmann behauptete das Innenministerium in der besagten Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Dürr: »Veranstaltungen mit rechtsextremen Tendenzen werden seit jeher in Bayern intensiv und unter Ausschöpfung aller rechtlicher Mittel polizeilich betreut.« Polizeilich »betreute« Nazi-Konzerte? Diese Formulierung trifft es ganz gut, was ich bei meinen Recherchen in Bayern erlebt habe.
    An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die bayerische Polizei auch mehrere Jahre nach der Messerattacke gegen den Passauer Polizeichef Alois Mannichl noch nicht den Täter ermitteln konnte – möglicherweise einen Täter aus dem rechtsextremen Milieu. In einer Pressemitteilung der Polizei vom Tag nach der Tat, dem 14. Dezember 2008, stand: »Herr Mannichl öffnete die Haustür und wurde von dem Unbekannten zunächst verbal bedroht und dann mit einem Messer niedergestochen. Die Diktion und der Wortlaut der Bedrohung lassen auf eine politische Motivlage aus dem rechten Spektrum schließen.« Mal sehen, ob Joachim Herrmann ähnlich seinem Vorgänger Beckstein irgendwann vor einem Untersuchungsausschuss steht und dann eingestehen muss, dass auch bei den Ermittlungen nach dem Mannichl-Attentäter einiges hätte »besser laufen können«, was die Kooperation zwischen der Soko und dem Verfassungsschutz betrifft.
    In Bayern war ich zehnmal mit meiner Minikamera, weil dort viele und vergleichsweise große Neonazi-Veranstaltungen stattfanden. Gesetzesverstöße konnte ich aber in anderen Bundesländern genauso dokumentieren. Vielerorts wurde der strafbare Szenehit | 165 | Blut muss fließen mindestens vom Publikum angesungen. Und Hitlergrüße gibt es fast bei jedem konspirativ organisierten Konzert. Sogar beim öffentlichen Rock für Deutschland, am 11. Juli 2009 in Gera, hoben manche den rechten Arm. Vor den Augen von Polizisten, die das Gelände umstellt hatten. Mehr als 5000 Nazis hatten buchstäblich eine »Spielwiese« gefunden. So heißt ja der Stadtpark, der zu einem rechtsfreien Raum wurde, weil die Ordnungshüter nicht eingriffen, um die Straftäter festzunehmen oder gar das Festival zu beenden. Unter den 58 Strafanzeigen gegen Teilnehmer der NPD-Versammlung, von welchen die Polizeidirektion am 18. August 2009 auf Anfrage des ZDF-Magazins Frontal21 berichtete, resultierte keine aus einem Hitlergruß. Nach etwaigen Gründen für eine Auflösung der Rechtsrockkundgebung gefragt, hieß es: »Die Zuständigkeit für ein Verbot beziehungsweise eine Auflösung von Versammlungslagen wie die am 11. Juli 2009 liegt in Thüringen bei den Versammlungsbehörden der Städte und Gemeinden. Die Versammlungsbehörde war am 11. Juli 2009 im Versammlungsraum anwesend. Diese sah keine Verbotsgründe beziehungsweise Auflösungsgründe.« Das mag der Konfliktvermeidung gedient haben – die Wirkung einer solchen Einsatztaktik auf Nazis ist jedoch fatal: Wer unter Aufsicht der Staatsmacht ungestört abhitlern kann, nimmt sie nicht mehr ernst. Die Strategie der Ordnungsmacht in Gera kam einer Bankrotterklärung des Rechtsstaats gleich.
    Wie hingegen engagierte Polizeiarbeit aussehen kann, habe ich im Nachgang eines Konzerts im hessischen Kirtorf erlebt. Meinen ersten Eindruck am 3. Juli 2004 prägte ein polizeiliches Großaufgebot, die Beamten hatten das dörflich geprägte Städtchen regelrecht besetzt. Sie vermochten allerdings nicht, das Konzert zu verhindern, das die Nazis einmal mehr als Geburtstagsfeier ausgaben, wie ich später erfahren habe. Alleine die Tatsache, dass ich dort reingekommen bin, belegte das Gegenteil: Mich kannte vor Ort niemand, und es wurde Eintritt kassiert, 10 Euro.
    In einem ehemaligen Schweinestall ließen rund 200 Nazis die Sau raus. Offensichtlich kommt es nicht von ungefähr, dass Antifa-Aktivisten teilweise von »Nazi-Schweinen« sprechen. So viele Schweine wie an diesem Abend Nazis waren aber sicher noch nie in diesem | 166 | Stall, das wäre selbst in Form von maximaler

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