Blut muss fließen
dann eine Band auftritt und 50 geladene Gäste kommen, in irgendeine Scheune, uns die entsprechenden Landwirte diese Information nicht geben oder die Polizei vor Ort diese Information auch nicht erheben konnte, dann wird die Veranstaltung völlig unbeeinflusst von Sicherheitsbehörden durchgeführt werden. Meistens haben die auch gar keine Außenwirkung.«
Kuban:
»Wenn Sie sagen, diese 26 Konzerte sind die, die etwas größer waren, dann stellt sich ja die Frage, wie der Repressionsdruck ausgesehen hat. Denn es war ja so, wenn man die Jahre 2000, 2001 mit einbezieht, da hatten Sie vier, fünf Konzerte im Jahr, inzwischen sind’s 26 nach Ihrer Zählung, größere Konzerte, über 100 Personen. Was haben Sie gegen diese Szene unternommen und an was sind Sie da bisher gescheitert?«
Gruber:
»Also wir können ja als Landesbehörde für Verfassungsschutz gegen die Durchführung von Konzerten überhaupt nichts unternehmen.«
Kuban:
»Das ist auch eher eine Frage an Herrn Beckstein.«
Beckstein:
»Dann nochmal: Wir beobachten rechtsextremistische Konzerte, ein Verbot ist dann möglich, wenn Straftaten passieren.«
Kuban:
»Aber Straftaten passieren bei diesen Konzerten ja generell. Also, ich bin öfter bei diesen Konzerten als verdeckter Rechercheur unterwegs, habe zum Beispiel auch in den letzten Jahren vier Konzerte in Bayern gefilmt, die sind auch ausgestrahlt worden in verschiedenen Magazinen, und da ist es jedes Mal ganz massiv zu Straftaten gekommen: also beim Hitlergruß angefangen, bis hin zu extrem menschenverachtenden Texten – ›Wir wollen euren Jesus nicht, das alte Judenschwein‹ und so weiter. Teilweise war sogar Polizei im Konzertsaal, und trotzdem sind alle diese Konzerte, bei denen ich beispielsweise gewesen bin, bis zum Schluss weitergelaufen.« | 161 |
Beckstein:
»Wenn eindeutige Straftaten passieren, wird die Polizei das Konzert abbrechen und unterbinden.«
Kuban:
»War aber definitiv nicht so. Ist auch ausgestrahlt worden.«
Beckstein:
»Das Problem ist, dass die Grenze zwischen eindeutiger Straftat und Freiheit der Kunst so ist, dass zum Beispiel bezüglich Schulhof-CDs es zu unterschiedlichen Entscheidungen gekommen ist. Wenn der Polizeibeamte vor Ort ist, wird er unter Umständen versuchen, mit dem Staatsanwalt Kontakt aufzunehmen, um von dem eine Bewertung zu bekommen. Wenn traditionelle Texte verwendet werden, die man einstufen kann, ist das auch natürlich klar. Aber die 26 Konzerte sind nicht von Straftaten geprägt gewesen, sind aber trotzdem eindeutig rechtsextremistisch.«
Kuban:
»Doch, das ist aber der Regelfall.«
Rainer Riedl, Pressesprecher im Innenministerium:
»Also wir können jetzt wahrscheinlich nicht irgendwelche Einzelfälle hier am Tisch .«
Kuban:
»Nein, es geht nicht um Einzelfälle, das ist flächendeckend. Sie werden kein konspirativ organisiertes Neonazi-Konzert finden, bei dem Sie keine Straftaten haben, und auch in Bayern sind da Gesänge gelaufen wie ›Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig, lasst die Messer flutschen in den Judenleib‹. Und da ist dann natürlich schon die Frage: Warum macht da die Polizei nichts? Sie sprechen auch an, diese Privatveranstaltungen .«
Beckstein:
»Die Frage, was Sie als Straftat ansehen und was die Staatsanwaltschaft zur Anklage bringt, ist möglicherweise unterschiedlich.«
Kuban:
»Das sind definitiv verbotene Texte, und in den Nachbarländern Thüringen und Baden-Württemberg wird das ganz anders gehandhabt. Da ist es dann so, dass eben viel mehr Konzerte gestürmt werden als in Bayern, auch mit dem entsprechenden Ergebnis: Baden-Württemberg konnte die Zahl der Konzerte von 24 im Jahr 2005 auf neun im Jahr 2006 zurückfahren, wovon noch fünf gestürmt wurden – Konzerte bis zu einer Größenordnung von 500 Personen. Warum passiert das nicht in Bayern?«
Beckstein:
»Also, wir haben hier eine völlig einheitliche Haltung zwischen Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen. Wir sind ja im Südverbund, besprechen das im Detail, übrigens auch mit österreichischen Kollegen haben wir engste Beziehungen. Da war vor kurzem auch einer der bayerischen Polizeipräsidenten zu einem Gespräch mit den Verantwortlichen | 162 | in Österreich, um hier ein abgestimmtes Verhalten zu haben. Die Problematik ist eine Grauzone, wo nicht von vorneherein bei bestimmten Bands davon ausgegangen werden kann, dass Straftaten passieren. Noch einmal: Was Straftat ist, was noch Freiheit von angeblicher Kunst ist, ist leider für
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