Blut muss fließen
rigoros zu handeln, keine Kompromisse einzugehen. Diesen Leuten kann man natürlich nicht vertrauen, die wollen einfach ihr Gedankengut verbreiten.«
Ihre Einsatztaktik brachte die Oberösterreicher Polizei in die öffentliche Kritik, nachdem das Fernsehmagazin Thema darüber berichtet hatte. Landeshauptmann Josef Pühringer berief daher schleunigst den Landessicherheitsrat ein, um das Konzert aufzuarbeiten. Außerdem sollte geklärt werden, wie künftig mit deutschen Neonazis in Oberösterreich verfahren wird. Die Polizei setzte aber auch »zur Gegenwehr« an, wie der private Linzer Rundfunksender Liferadio am 5. Februar 2007 berichtete: »Jetzt wird der Kameramann heftig kritisiert. So hat der stellvertretende Bezirkskommandant Schachl«, also der Stellvertreter von Franz Pumberger, »in einer Tageszeitung gestern jenen Mann ins Visier genommen, der das Konzert gefilmt hat. Warum er sich nicht gleich bei ihnen gemeldet habe, so Schachl, | 181 | dann hätten sie nach dem Verbotsgesetz einschreiten können. Zu Bildern befragt, die der Zeitung vorliegen und worauf eine Polizistin zu sehen ist, die mit einem Neonazi scherzt, dazu wollte Schachl keine Stellungnahme abgeben.«
Mal abgesehen davon, dass ich als Journalist kein Hilfspolizist bin: Ich wäre des Wahnsinns gewesen, mit dieser Polizei Kontakt aufzunehmen. Ich hatte ja erlebt, wie freundschaftlich ein Teil der Truppe mit der braunen Bande umgegangen ist. Da hätte ich mich ja gleich den Nazis persönlich vorstellen können.
Zu der Sicherheitskonferenz am 2. März 2007 waren Österreichs damaliger Innenminister Günther Platter (ÖVP) und bayerische Sicherheitskräfte eingeladen, die vermutlich eine Vorbildrolle spielen sollten. Laut einem Bericht der Tageszeitung Der Standard zeigte sich der oberösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter Erich Haider (SPÖ) anschließend zufrieden: »Ich bin besonders froh, dass Skinhead-Veranstaltungen künftig nicht mehr als Privatveranstaltungen gelten.« Und sein Chef, der immer noch amtierende Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP), habe eingeräumt, dass es seitens der Exekutive »Fehleinschätzungen« gegeben habe, allerdings seien die Behörden »getäuscht worden«. Innenminister Platter kündigte laut Standard an, man werde Radikalismus von rechts und links »null Toleranz« entgegenbringen, die Polizei gehe »mit aller Kraft an die Dinge heran«. Ähnlich wie in der Schweiz sind mir seit diesem Zeitpunkt keine Rechtsrockkonzerte mit vierstelligen Besucherzahlen mehr in Österreich untergekommen.
Während das Strafrecht in Österreich und der Schweiz bezüglich Neonazis ähnlich ausgeprägt ist wie in Deutschland, sind in anderen Ländern Hakenkreuz und Hitlergruß nicht strafbar – in der Folge unternahm und unternimmt die Polizei in anderen Staaten noch weniger, also fast oder gar nichts gegen die Konzerte. In Frankreich, Belgien und Ungarn habe ich bestenfalls einzelne Streifenwagen gesehen, in Italien fungierten die Ordnungshüter eher als Parkplatzeinweiser für deutsche Nazi-Reisebusse denn als Kontrolleure, und in England habe ich keinen Polizisten entdecken können. Die dortigen Aktivisten von Blood & Honour trafen sich daher nicht auf einem schäbigen Park-and-Ride-Parkplatz, sondern komfortabel in einem Pub. | 182 |
Der unterschiedlichen Gesetze wegen wissen Neonazis die offenen EU-Grenzen seit Jahren zu schätzen. Große Konzerte finden vorzugsweise dort statt, wo der Verfolgungsdruck gering und die Verkehrsanbindung vergleichsweise günstig ist. Und auf der Bühne stehen oft deutsche Bands, welche die Staatsmacht verhöhnen – zum Beispiel in dem altbekannten Blut -Lied.
Um den grenzüberschreitenden Neonazi-Manövern die Grundlage zu entziehen, strebte die schwarz-rote Bundesregierung eine einheitliche Rechtslage in der Europäischen Union an, konnte sich aber gegen die Vertreter anderer Regierungen nur bedingt durchsetzen. Welche Staaten sich gegen welche Regelungen gewandt haben, das teilte die Pressestelle des Bundesjustizministeriums nicht mit, weil die Verhandlungen nicht öffentlich geführt worden waren. Der im Frühjahr 2007 vereinbarte Kompromiss sah es nicht vor, wie in Deutschland üblich, »das Verwenden nationalsozialistischer Symbole« zu bestrafen. Die politische Einigung auf einen »EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit« hatte die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) am 20. April 2007, ausgerechnet dem Jahrestag des
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