Blut muss fließen
Textil-Discounter KiK und dem Schuhfilialisten Reno auf den Armyshop Dresden, der für Nazi-Kunden »White Power«-Shirts und »88«-Schildmützen vorrätig hatte, womit bekanntermaßen dem großdeutschen Führer gehuldigt wird. Der Verkäufer zeigte mir obendrein, in welchem Regal ich Kleidung in den Tarnfarben der SS finden könne.
Ein Waffengeschäft in einem anderen Dresdner Stadtteil bot neben Pistolen und Gewehren unter anderem Szenebedarf der Nazi-Marke »Consdaple« an, die wegen der Buchstabenfolge NSDAP im Namen beliebt ist, sowie eine Schildmütze mit dem Aufdruck »Stolz Ehre« und einer Triskele darauf – das ist eine Art dreigliedriges Hakenkreuz. Mützen und Taschen mit dem Aufdruck »A.C.A.B.« (All Cops Are Bastards), die von Neonazis und Hools gleichermaßen gekauft werden, gab es vielfach. Handschellen und Leuchtkellen ergänzten das Sortiment. Der Waffenhändler zählte auch Ordnungshüter zu seinen Kunden, wie ich bei einem Einkauf am 22. April 2006 staunend zur Kenntnis genommen habe. Kurz nach Ladenschluss am Samstagmittag, ich war gerade am Gehen, streckten zwei Polizistinnen ihren Kopf zur Eingangstüre herein: »Dürfen wir noch?« Sie durften.
Bei einer weiteren Recherchetour, anno 2009, habe ich in den beiden Dresdner Läden ein ähnliches Warenangebot vorgefunden: im Armyshop beispielsweise KKK-Shirts für Sympathisanten des Ku-Klux-Klans. Und das Waffengeschäft hatte sich inzwischen, einer Metalltafel im Laden nach zu urteilen, zum »Deutschen Schutzgebiet« ausgerufen. Bücher über die Waffen-SS und Die letzten Tage mit Adolf Hitler waren geeignet, den historischen Wissensdurst von Nazi-Kunden zu stillen. Für Polizei und Bundesgrenzschutz gab es Kleidung mit entsprechendem Aufdruck und Emblem. Und die | 207 | Gegner der Einsatzkräfte konnten sich per Kauf eines Aufnähers als »Staatsfeind« kenntlich machen.
Zwischenzeitlich firmiert der Armyshop unter neuer Adresse. Das Kaufhaus Mälzerei in der Heidestraße bleibt jedoch politisch kontaminiert. Ein Geschäft namens Neverstraight ist eingezogen und bietet Tattoos, Piercing und »Clothes«. Das klingt zwar allesamt undeutsch, aber Inhaber Sebastian R. betreibt gleichzeitig das Nazi-Label One People One Struggle Records (OPOS), das unter derselben Anschrift residiert.
Neben kleinen Szeneläden und dem Szeneangebot des bürgerlichen Einzelhandels gibt es ein drittes Phänomen im Neonazi-Geschäft: großflächigen Einzelhandel. In Chemnitz teilen sich Back-street Noise (Streetwear) und PC-Records (CDs und Band-Shirts) einen Flachdachbau in Supermarktgröße, mitten in einer Plattenbausiedlung. Gelegen an einer Straße, die nach dem chilenischen Präsidenten Salvador Allende benannt ist – einem Sozialisten, der 1973 durch einen Militärputsch gestürzt wurde. Das Label – »PC« spielt auf »Political Correctness« an – verlangte bei meinem Einkauf für CDs den symbolträchtigen Einheitspreis von 14,88 Euro: 14 für die 14 Wörter des Schwurs zum Erhalt der weißen Rasse, 88 als Zahlencode für »Heil Hitler«. Die Firma, die das Tonträgergeschäft einst von Backstreet Noise übernahm, hat sich zu einem der bedeutendsten Rechtsrockproduzenten in Deutschland entwickelt. Promis wie Michael »Lunikoff« Regener und Daniel »Gigi« Giese haben dort genauso Alben veröffentlicht wie das konspirative Projekt »Hassgesang«. Die Covergestaltung lässt keine Fragen offen.
Als ich mich im Jahr 2006 bei den Chemnitzern umgesehen habe, boten die beiden Läden ihren Kunden sogar ein Rabattkartensystem. Sie hatten sich den Markt in Nazi- und Hooliganbedarf aufgeteilt. Ganz gelungen ist die Trennung allerdings nicht: Bei Backstreet Noise gab es T-Shirts der Band »H8Machine«, die bei Neonazi-Konzerten auftritt – und bei PC-Records fanden sich Hool-Shirts, die das großdeutsche Reich auf dem Rücken zeigten, kombiniert mit der Aufschrift: »1939 wurde Polen in 28 Tagen besiegt. 2006 reichen 90 Minuten.« Die Sortimente überlagerten sich genauso wie die Chemnitzer Neonazi- und Hool-Szene. Eine schlagkräftige Truppe von | 208 | Fußballgewalttätern aus der Stadt taufte sich »Hoo-Na-Ra«. Diese Abkürzung steht für Hooligans, Nazis, Rassisten.
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Diese CD des deutschen Bandprojekts „Hassgesang" hat die Firma Micetrap Records aus den USA herausgebracht. Das Backcover mit Hakenkreuz und Abbildung des Tores des Konzentrationslagers Auschwitz trägt die Aufschrift „Der Verkauf dieser CD ist in
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